■ Die Anderen: Die "Salzburger Nachrichten" sehen in der Wiederwahl Reinhard Höppners mit PDS-Stimmen eine Chance für die CDU / Unter dem Titel "Skandal in Magdeburg" schreibt dazu "La Stampa" / "Liberation" sieht ein Problem für Schröder
Die „Salzburger Nachrichten“ sehen in der Wiederwahl Reinhard Höppners mit PDS-Stimmen eine Chance für die CDU: Die Entscheidung der in Sachsen-Anhalt regierenden Sozialdemokraten, sich gegen den Rat der Bonner Parteizentrale auf Gedeih und Verderb den SED-Nachfolgern auszuliefern, ist ganz nach dem Geschmack der CDU geraten. Sie gibt Helmut Kohl die Möglichkeit, den lange geplanten Lagerwahlkampf zu führen. Der Kanzler, länger im Amt als Adenauer, bläst noch einmal zum Angriff. Das Ziel, seinen Glanz als letzter Visionär eines geeinten Europas beim Euro-Gipfel aufzupolieren, wurde durch den kleinkarierten Streit um die Besetzung der Europäischen Zentralbank durchkreuzt. Das Versprechen, für „blühende Landschaften“ in den von den Kommunisten ruinierten neuen Bundesländern zu sorgen, erwies sich als unhaltbar, die Hoffnung auf den entscheidenden Wirtschaftsaufschwung noch vor dem Wahltag als trügerisch. So bleibt Kohl wenig mehr übrig, als auf die ängstigende Kraft des Volksfront-Gespenstes und Fehler der Gegner zu setzen.
Unter dem Titel „Skandal in Magdeburg“ schreibt dazu „La Stampa“: Wird Schröder das „Magdeburger Modell“ überleben? Oder wird Kanzler Kohl es schaffen, seinen Gegner zu dämonisieren? Vier Monate vor der Bundestagswahl bedeutet das kleine politische Drama in Magdeburg weitaus mehr als nur ein einfacher Provinzstreit. Der Versuch der CDU, den Gegner zu dämonisieren, könnte aber auch gegenteilige Folgen hervorbringen, als es sich die CDU und Kohl erhoffen. Während auf der anderen Seite die Verteidigung der sogenannten regionalen Interessen und der Besonderheiten im Osten, wie Höppner es in Magdeburg betreibt, die Sympathien der Sozialdemokraten beim Wählervolk im Osten steigern könnte.
„Libération“ aus Paris glaubt, daß Höppners politischer Alleingang ein Problem für Gerhard Schröders Ambitionen ist: Ein rotes Schreckgespenst geht auf der politischen Bühne Deutschlands um. Die Kommunisten haben die Wahl einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt möglich gemacht. In Frankreich, wo die Kommunisten an der nationalen Regierung beteiligt sind, hätte die Nachricht kaum ein Achselzucken ausgelöst. In Deutschland scheint dieser vorsichtige Beginn einer Annäherung der Kommunisten an die Macht in einem der kleinsten Länder zu einem zentralen Thema der Polemik im Wahlkampf zu werden. Für Gerhard Schröder, der die Wahlen „in der Mitte“ gewinnen will, ist diese lokale Allianz problematisch. Schröder hatte seine Genossen in Sachsen-Anhalt gebeten, eine „Große Koalition“ mit der CDU einzugehen. Daß er sich nicht durchsetzen konnte, zeigt, daß es ihm innerhalb seiner Partei noch an Autorität fehlt.
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