■ Die Anderen: "Guardian", "Standard", "Stuttgarter Zeitung" und "Nürnberger Nachrichten" zum ICE-Unglück in Eschede
Der „Guardian“ fragt nach Eschede, ob das Risiko von Hochgeschwindigkeitszügen den Zeitgewinn wert ist: Das Zugunglück in Deutschland hat viel mit einem Flugzeugabsturz gemeinsam. Züge sind so ziemlich das sicherste Verkehrsmittel, aber wenn etwas falsch läuft, dann sind die Ergebnisse schrecklich. Es könnten natürlich bescheidene Schritte unternommen werden: Wenn Busse jetzt mit Sicherheitsgurten ausgestattet werden, warum nicht auch Hochgeschwindigkeitszüge? Doch zur Katastrophe kann es immer kommen. Die Wahrscheinlichkeit kann nur verringert werden, wenn wir unsere immer schnellebigere Kultur ändern. Es lohnt nicht, das Extra-Risiko einzugehen, um einige Minuten zu gewinnen.
Der Wiener „Standard“ plädiert, an den Hochgeschwindigkeitszügen festzuhalten: Klingt es angesicht des menschlichen Leids auch zynisch, so bleibt doch festzuhalten, daß Hochgeschwindigkeitszüge zu den sichersten Verkehrsmitteln überhaupt zählen – viel sicherer als der Flugverkehr oder die Straße, die in Deutschland jährlich rund 8.000 Todesopfer fordert. Die Kritik, in die Sicherheitstechnik der Züge werde zuwenig investiert, ist jedenfalls nur teilweise nachvollziehbar. Was sollen Crashtests angesichts eines Betriebstempos von 200 Stundenkilometern und 850 Tonnen Masse pro Zuggarnitur im Ernst bewirken? Es wäre jedenfalls falsch, die Weiterentwicklung moderner Hochleistungszüge jetzt zu überdenken. Ganz im Gegenteil, auf der Mittelstrecke sind der ICE und sein französisches Pendant, der TGV, schon heute unschlagbar. Mobilität und Geschwindigkeit sind zwei Errungenschaften, die für unsere heutige Gesellschaft von höchster Bedeutung sind. Eschede ist deshalb ein Fanal – und ein Tribut an unsere Zeit. Wenn auch ein höchst schmerzlicher.
Die „Stuttgarter Zeitung“ schreibt zum ICE-Unglück: Ist es lediglich Zufall, daß der neue Bahnchef Ludewig im vergangenen Dezember nach einer Serie von Zugunglücken einen Sicherheitscheck verordnete? Dem ICE-System wurde bisher auch von unabhängigen Experten immer ein weltweit beispielhafter Sicherheitsstandard bescheinigt. Für die Eisenbahn in Deutschland muß das schlimmste Unglück der Nachkriegszeit nicht unbedingt ein Menetekel sein, aber es ist eine Zäsur. Die Bahn hat bisher von einem makellosen Image der Sicherheit gezehrt. Dieses Ansehen muß sie sich nun erst wieder neu erarbeiten.
Die „Nürnberger Nachrichten“ kommentieren: Noch steht das Land unter Schock. In die Trauer um die Toten mischt sich der Respekt für die Retter und freiwilligen Helfer, die seit Mittwoch mittag in Eschede im Einsatz sind. Sie haben, weiß Gott, Dank verdient. Ob ihn die Spitzenpolitiker an Ort und Stelle abstatten mußten, ist eine Geschmacksfrage.
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