■ Die Anderen: Zur Öcalan-Festnahme schreiben der Istanbuler "Hürriyet" / "Cumhuriyet" / der Sänger Zülfü Livaneli in "Sabah" und "Radikal" (Ankara)
Zur Öcalan-Festnahme schreibt der Istanbuler „Hürriyet“: Wenn die Italiener Öcalan unter der Bedingung der „Nichtanwendung der Todesstrafe“ an die Türkei ausgeliefert hätten, wäre die Türkei gezwungen gewesen, sich daran zu halten und Öcalan nach mehrjähriger Haft freizulassen. Nun kann die Türkei den Prozeß des Mörders ohne jede Auflage führen. Die Verhaftung Öcalans ist ein Wendepunkt im Kampf gegen den Terror. Schon die Vertreibung Apos aus Syrien deutete auf die Beschleunigung dieses Prozesses. Aber die Festnahme Öcalans und seine Überführung in die Türkei beweisen, daß der Alptraum des PKK-Terrors bald zu Ende ist. Die PKKler in den Bergen müssen klug handeln, diese Realität anerkennen und sich den Behörden stellen, um vom „Reuegesetz“ profitieren zu können. Und auch die Regierenden der Türkei müssen beweisen, daß sie klug genug sind, nun die Freiheiten einzuführen, die alle Menschen in diesem Land seit langem ersehnen.
Zum selben Thema meint „Cumhuriyet“: Das Abenteuer Apos, das mit Studentenrevolten begann, ist nun beendet. Das anatolische Volk will, daß Apo bestraft wird. Denn er ist der Mörder von Zehntausenden. Wie viele Morde sind geschehen, um eine Blutfehde zwischen Türken und Kurden anzuzetteln. Trotzdem haben die Völker Anatoliens nicht aufgehört, einander zu lieben. Aber Vorsicht! Apo darf nicht in türkischem Gefängnis einem Attentat zum Opfer fallen! Apo muß seine Strafe absitzen.
Der Sänger Zülfü Livaneli schreibt in „Sabah“: Nach Öcalans Festnahme steht einem Reformprogramm für den Südosten nichts mehr im Wege. Es ist Zeit für Reformen, die unseren Bürgern dort beweisen weren, daß sie Menschen erster Klasse sind. Sie brauchen Arbeit und Brot. Ihre kulturellen Rechte müssen beachtet, die wegen Sicherheitsproblemen vertagte Justizreform in Angriff genommen werden. Die ganze Welt blickt jetzt auf die Türkei. Als ein Land, in dessen Gefängnissen am laufenden Band Menschen umgebracht werden, muß die Türkei nun auf einen gerechten Prozeß für Apo besonders achten.
„Radikal“ (Ankara) fügt hinzu: Die Prüfung für die Türkei beginnt erst jetzt. Der Prozeß Öcalans, der von der ganzen Welt genau beobachtet werden wird, muß zum Beweis dafür gemacht werden, daß hier der Rechtsstaat und die Menschenrechte im Gang sind. Gleichzeitig müssen jetzt Maßnahmen folgen, um den Menschen im Südosten des Landes Frieden, Ordnung, Wohlstand zu bringen. Nichts ist zu Ende, alles fängt erst jetzt an. Ein umfassender Reformplan muß endlich in die Tat umgesetzt werden. Das ist der einzige Weg, um zu vermeiden, daß neue Apos entstehen.
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