■ Die Anderen: "Liberation" fordert von der Nato Entschlossenheit im Krieg / "La Repubblica" sieht die Gefahr einer weiteren Eskalation / Eine Gewaltphantasie liest man in der "Sun" / "Moskowski Komsomolez" glaubt nicht an eine Eskalation
„Libération“ fordert von der Nato Entschlossenheit im Krieg: Die Niederlage der Allianz und damit der Sieg von Deportationen in Europa kommt einfach nicht in Frage. Denn das wäre eine Tragödie für die Kosovo-Albaner, aber auch für die serbische Bevölkerung. Das wäre ein wirkliches Desaster für die EU, es würde wahrscheinlich das Ende der Nato bedeuten. Und schließlich würde es eine geopolitische Katastrophe darstellen, die schwer auf der Zukunft des Balkans und Rußlands lasten würde. Das Antlitz Europas wäre entstellt. Nach dreiwöchigen Luftangriffen, nach den Schrecken der Vertreibungen ist Umkehr nicht mehr möglich. Der Krieg gegen die Säuberungsstrategie muß nun gewonnen werden.
„La Repubblica“ aus Rom sieht die Gefahr einer weiteren Eskalation: Am Jahrestag des Holocaust verdichtet sich das Dunkel über dem Balkan. Es ist wieder Nacht in Europa. Der russisch-amerikanische Gipfel in Oslo ist gescheitert. Die Serben dringen in Albanien ein mit gewalttätiger, herausfordernder Arroganz. Clinton verspricht „Nie mehr Holocaust“ und ordnet die Eskalation an. Die Pläne für einen Bodeneinsatz werden aus den Schubladen der Militärs geholt und ins Washingtoner Oval Office gebracht: Aus „humanitären Gründen“, heißt es, werden amerikanische Bodentruppen Richtung Balkan entsandt. Im Militärjargon wird dies Vorpositionierung genannt. Einen Schritt nach dem anderen geht die Operation „Allied Force“ militärisch und politisch weiter, wie es schon einmal war, voraussehbar, vielleicht fatal.
Eine Gewaltphantasie liest man in dem britischen Boulevardblatt „Sun“: Es gibt noch immer ein paar Leute, die glauben, daß es nicht richtig ist, Krieg gegen die Serben zu führen. Die sollten mal die schrecklichen Berichte über Vergewaltigungslager und die Ermordung schwangerer Frauen lesen. Serbische Soldaten führen sich auf wie Barbaren. Sie verdienen es, wie wilde Hunde erschossen zu werden. Anders als der Nato-Pilot, der versehentlich einen Zug bombardierte, wissen die Serben genau, was sie tun. Je schneller die Nato gewinnt, desto besser. Miloševićs Tiere sind eine Beleidigung für die Menschheit.
Die russische Tageszeitung „Moskowski Komsomolez“ glaubt nicht an eine Eskalation: US-Präsident Clinton wird gedrängt, Bodentruppen einzusetzen. Außenministerin Albright hat diese Möglichkeit auch schon angedeutet, sollten die Luftangriffe das Blutbad im Kosovo nicht stoppen. In Rußland dagegen breitet sich die Epidemie des Wahnsinns aus – alle Politiker haben plötzlich die Idee einer Vereinigung mit Jugoslawien gutgeheißen. Und trotzdem ist der Kern der Nato nicht zu einem Bodenkrieg bereit, und wir – ehrlich gesagt – sind auch nicht zur Vereinigung mit Milošević bereit. So sieht der Dritte Weltbluff aus.
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