: Die Anderen: The Independent / La Repubblica / Telegraaf zum angekündigten sowjetisch-amerikanischen Gipfel
The Independent
Die Londoner Tageszeitung kommentiert den angekündigten amerikanisch-sowjetischen Gipfel:
Nach Darstellung des Weißen Hauses kam die Initiative von Präsident Bush. In diesem geschichtlichen Moment braucht die Sowjetunion jedoch die Vereinigten Staaten weit mehr als umgekehrt. Präsident Gorbatschows Wirtschaft ist im Zustand einer möglicherweise tödlichen Krise, und sein Reich fällt auseinander. Er steht unter großem Druck, sein Verteidigungsbudget zu reduzieren und Zugang zum technischen, wirtschaftlichen und kommerziellen Fachwissen Amerikas zu erhalten. Kurz gefaßt, wünscht der Sowjet-Führer den aktiven guten Willen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. In den USA bildet sich offenbar die Einstellung, daß Präsident Gorbatschow es in seinem Reformenwünschen ernst meint. Es wäre närrisch von ihm, würde er im Dezember eine kurzfristige Propagandainitiative suchen, anstatt Präsident Bushs wohlwollende Haltung gegenüber seinen Anstrengungen zu verfestigen.
La Repubblica
Zum gleichen Thema meint die römische Tageszeitung:
Moskau hat Washington schließlich herumkriegen können. Die lange Phase der Unsicherheit über den Atlantik hinweg ist vorbei. Gorbatschow hat zu einem außerordentlich schwierigen Zeitpunkt wieder an das amerikanische Ufer zurückfinden können. Für den Kreml ist das Gipfeltreffen im Mittelmeer schon heute ein Erfolg, weil seine Ankündigung die Wiederherstellung des komplexen Gleichgewichts in den Beziehungen zum Weißen Haus bedeutet - wirtschaftlich, politisch und diplomatisch. Und es verweist auf die amerikanischen Erwartungen im Blick auf die Stabilität Gorbatschows, auf seine Führungsstärke und die Zukunft der Perestroika.
Telegraaf
Die in Amsterdam erscheinende Tageszeitung schreibt dazu:
Für den sowjetischen Staatschef ist der Gipfel eine Möglichkeit, amerikanische Unterstützung für seine in Schwierigkeiten geratene Reformpolitik zu erwerben und um Absprachen über die Lage in Osteuropa, die in Stromschnellen geraten ist, zu machen. Nach Polen und Ungarn, wo die Machtverhältnisse unerwartet schnell verändert wurden, geht die Bevölkerung der DDR fast jeden Abend massiv auf die Straße, um für Reformen zu demonstrieren. Und auch in der Tschechoslowakei ist es unruhig. Der amerikanische Außenminister James Baker hat gesagt, daß die Reformpolitik eine historische Chance für die Verbesserung der Beziehungen der Supermächte bietet.
Präsident Bush will die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Darüber kann die Welt nur froh sein.
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