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Die Anderen: Corriere Della Sera / Guardian / La Repubblica: über den Rücktritt von Krenz und die Ereignisse in der DDR

Corriere Della Sera

Die konservative Mailänder Tageszeitung befaßt sich am Donnerstag mit dem Rücktritt von Egon Krenz als Staatsratsvorsitzender. Unter der Überschrift „Chaos in Ostdeutschland“ schreibt das Blatt:

Egon Krenz ist vom Mißtrauen seiner Landsleute gestürzt worden. Dies hat er in seinem Rücktrittsschreiben selbst zugegeben. Die lange Anwesenheit im Staatsrat und im Politbüro unter der Führung von Erich Honecker habe bei nicht wenigen Bürgern die Glaubwürdigkeit einer Politik der Erneuerung des Sozialismus geschmälert. ... Es ist berechtigt, einen dramatischen Parteitag vorauszusehen, einen höchst kritischen Kongreß, der sich vor dem Hintergrund einer schweren Krise abspielt, die die Strukturen des Staates bedroht.

The Guardian

Der liberale britische Tageszeitung sieht das drohende Ende der Kommunistischen Partei in der DDR voraus. Das Blatt führt am Donnerstag aus:

Die Qualifikationen von Krenz sind niemals hervorragend gewesen: Er war der loyale Erfüllungsgehilfe Honeckers, der perfekte Chef des Sicherheitsapparates, der Verteidiger des Massakers von Peking und der Besitzer des falschesten Lächelns im gesamten ostdeutschen Politbüro. Gestern lachte er zum letzten Mal und sagte, er wolle die Arbeit von Ministerpräsident Modrow nicht behindern, der das einzig akzeptable Gesicht der Reform in der ostdeutschen kommunistischen Partei bleibt. Krenz Rücktritt als Staatsoberhaupt bedeutet eine Krise, die das Ende der Partei darstellen könnte. ...Das Drama dieser nicht sehr angenehmen Person ist völlig überschattet von dem weitaus größeren Drama einer gesamten Nation. Die Berliner Mauer ist nicht die einzige Grenze, die in den vergangenen sieben Wochen durchbrochen wurde, und wer kann sagen, wo der Prozeß enden wird.

La Repubblica

Auch die linksstehende römische Tageszeitung befaßt sich am Donnerstag mit der neuesten Entwicklung in der DDR:

Die Sache läuft nicht gut für die SED. Die Partei ist tief gespalten. Ein Flügel will aus der SED eine moderne sozialistiche Partei machen und ist überzeugt, daß dies der einzige Weg ist, ihr Überleben im Prozeß der Erneuerung der Gesellschaft zu garantieren. Aber die Widerstände gegen diese Reformer sind noch stark und kommen nicht nur aus dem Apparat, der nach wie vor in der Partei von Bedeutung ist. Sie kommen auch von denen, die den Stalinismus über Bord werfen wollen, aber nicht den Kommunismus: also von links und nicht von rechts.

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