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■ Die Abspeisung der SechsjährigenLet's have a Kinderverkehrsparty

Düsseldorf (taz) – „Wann fängt es endlich an?“ fragt der Steppke seine Mutter und bearbeitet mit den Füßen ungeduldig den Sitz des Vordermanns. Zur Stresslinderung bekommt er erst einmal ein Limopäcken verabreicht. Dreitausend Kinder sind in die Düsseldorfer Philipshalle geströmt und gewuselt, leidlich im Zaum gehalten von Erzieherinnen, Muttis und sonstigem – fast ausschließlich weiblichem – Bezugspersonal. Verkehrskadetten stehen auf Posten, überflüssig wie meist, aber in ihrem Outfit sich selbst genug.

Und dann, es ist 14 Uhr, fängt sie an, die sogenannte Kinderverkehrsparty, mit der das örtliche Straßenverkehrsamt auch in diesem Jahr wieder den Vorschulkids eine besondere Freude macht. (Viel, viel Grün zeigte das Plakat, fröhlich radschlagende Kinder, als führten Düsseldorfs Schulwege vorzugsweise durch Wälder und Auen.)

Rolf Zuckowsky, Kinderliedermacher unter besonderer Berücksichtigung der Probleme des Straßenverkehrs („Rolfs Schulweg- Hitparade“) und Star des Nachmittags, läßt sich im Peterwagen mit Blaulicht auf die Bühne fahren. Echt starker Auftritt. Sogar die Sirene darf mal kurz heulen. Rolf hat gleich noch den Oberbürgermeister Bungert mitgebracht, ohne dessen Schirmherrschaft an der Düssel fast nichts geht, was wahr, gut und schön ist.

Der alte SPDler macht es heute angenehm kurz, er warnt sein junges Publikum vor den „Gefahren, die auf der Straße lauern“, dann wünscht er auch schon gute Unterhaltung – „und daß Ihr gesund bleibt“ – und empfiehlt sich. Ob er heute noch zum Aufsichtsrat der Rheinbahn muß, um die bevorstehende Ausdünnung und Verteuerung des öffentlichen Nahverkehrs perfekt zu machen? Oder zu einem Fraktionsgespräch über die gerade bekanntgewordenen, kriminell hohen Benzolwerte in der City, und wie man diesbezüglich weiterhin am überzeugendsten untätig bleibt?

„Mein Weg zur Schule ist nicht schwer“, schmettert der nette Rolf – woher soll er auch etwa die katastrophale Radwegesituation Düsseldorfs kennen; „hea hea hoh“ schallt es begeistert aus dem Saal zurück. Ein anderes Lied widmet sich der Frage: „Was zieh' ich an, damit man mich auch gut sehen kann?“ So erteilt Rolf, bühnenwirksam unterstützt vom Chor der katholischen Grundschule Essener Straße, launig Lektion um Lektion, wie man als Kind dem Tod auf der Straße ein Schnippchen schlagen kann. Eine orangefarbene Jacke und ein Fahrradhelm wirken da oft schon Wunder.

Wenn nur nicht ein paar streunende junge Zuschauer beständig am Bühnenrand herumhangeln würden. Nicht einmal Zuckowskys listigste Überredungskünste wollen da verfangen. Den Künstler plagt merklich die Angst, ein Unfall direkt zu seinen Füßen könnte die ganze Verhütungsshow vermasseln. So bekommt der anwesende Straßenverkehrsamtsleiter, Herr Dörper, heute doch noch von der Bühne herab einen kritischen Rüffel. Wenn auch nur wegen seines saumseligen Saaldienstes.

Noch ein Song vom Zebrastreifen, dann löst sich die Party auf. Im Foyer gibt es Zuckowsky-Kassetten, Platten und Notenbücher. An der Wand daneben irrlichtert noch immer die Laufreklame eines Reifenhändlers. Draußen leert sich allmählich der große Parkplatz. Das Lied „Mama, laß das Auto stehen“, das der Entertainer vorhin sang, kann ja immer noch ein anderes Mal beherzigt werden. Jetzt aber schnell nach Hause, die Rush- hour hat schon eingesetzt, die ersten Väter starten durch, um sich dann daheim erzählen zu lassen, wie schön und lehrreich es war auf der Kinderverkehrsparty. Olaf Cless

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