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Archiv-Artikel

„Dichter an den Menschen dran“

Ab heute erscheint die neue taz nord. Redaktionsleiter Jan Kahlcke stellt im Interview das Konzept vor

Jan Kahlcke, willkommen in der taz-Welt. Wie waren die ersten Tage?

Jan Kahlcke: Chaotisch. Aber das kann mich als alten tazler nicht schrecken. Ich habe ja schon dreieinhalb Jahre in der Bremer Redaktion gearbeitet.

Und bist trotzdem zur taz zurückgekommen.

Ja. Ich bin damals nicht im Groll geschieden. Es war eine sehr schöne Zeit.

Was reizt dich an der neuen taz nord?

Der Laborcharakter. Wir probieren etwas aus, was es so im Norden noch nicht gegeben hat: Eine Regionalzeitung, die ganz bewusst über die manchmal verdammt engen Ländergrenzen hinausblickt.

Der Norden ist doch nur Hamburg und viel flaches Land drum herum, oder?

Klar: Hamburg ist die Boomtown hier oben. Ohne Hamburg wäre der Norden längst abgeschmiert. Und genau deswegen gibt es so viele Animositäten gegen eine Länderfusion. Weil jeder denkt, dass Hamburg natürlichen Anspruch auf die Hauptstadtrolle erhebt.

Das kann nur ein Hamburger Jung sagen.

Nee, ich bin ein Kieler Butscher. Aber seit 19 Jahren Hamburger – und zwar aus Überzeugung.

Und was sagst du den LeserInnen, die den alten Lokalteil vermissen?

Die Bremer und Hamburger bekommen weiterhin eine Stadtseite, die auch optisch klar herausgehoben ist. Darüber hinaus finden sie Themen aus ihrer Stadt auch auf den Nord-Seiten – wenn sie über die Grenzen der Stadtstaaten hinaus strahlen.

Und was hat der Leser davon, über die Grenzen zu schauen?

Lokale Probleme machen nicht an Ortsschildern Halt. Beispiel: Wenn Hamburg die Elbe vertiefen will, um seinen Hafen konkurrenzfähig zu halten, braucht es die Zustimmung von Niedersachsen. Die bauen allerdings gerade einen Konkurrenzhafen in Wilhelmshaven – zusammen mit Bremen. Da kann doch eine intelligente Berichterstattung nicht nach dem St.-Florians-Prinzip vorgehen und sagen, was hinter der Grenze passiert, interessiert nicht.

Eine Zeitung für den ganzen Norden ist die richtige Antwort darauf?

In Ansätzen bildet sich bereits ein eigener Kommunikationsraum, vor allem die Nordstaat-Debatte zeigt das. Und die taz nimmt diese Tendenz auf.

Die Nordstaatdebatte?

Die Diskussion über eine Fusion der vier norddeutschen Bundesländer, vor allem die Verschmelzung der Stadtstaaten Bremen und Hamburg mit den Flächenstaaten Niedersachsen und Schleswig-Holstein gärt seit Jahren und ist nicht mehr nur bloße Fantasterei.

Welche Schwerpunkte willst du setzen?

Es ist alte taz-Tradition, sich nicht so sehr wie andere Blätter an die Agenda der offiziösen Politik zu halten. Das wollen wir weiter stärken. Das heißt: Die taz nord ist künftig dichter an den Menschen, stärker vor Ort als auf Pressekonferenzen. Das heißt natürlich auch: Mehr Reportagen, mehr Porträts und eine härtere Themenauswahl. Wenn etwas nicht in der taz nord steht, hat das Gründe.

Und, bist du zufrieden mit der ersten taz nord?

Ich glaube, ein Anfang ist gemacht. Aber es ist wie immer bei der taz: Das Produkt wird sich Schritt für Schritt entwickeln.