Deutscher Nato-Botschafter in der Bürgerschaft : Gebhardt von Moltke windet sich für seinen Kanzler
Viel lieber Bremen anstatt Brüssel
Er war tatsächlich gekommen: Seine Eminenz Gebhardt von Moltke, Ex-Botschafter in London und seit 1999 ständiger Vertreter Deutschlands im Nordatlantikrat, gab sich am Montagabend im Festsaal der Bremischen Bürgerschaft die Ehre, um über „die Nato im Wandel in einer sich verändernden Welt“ zu referieren. Eingeladen hatte die Deutsche Atlantische Gesellschaft.
Gleich zu Beginn seines Vortrags kam die große Überraschung: „Ich selbst war heute nicht in Brüssel“, verblüffte der 64-Jährige sein Auditorium – er habe zuvor mit Peter Struck gesprochen, „und mein Minister war damit einverstanden, dass ich heute in Bremen bin“. Seinen Stellvertreter hatte von Moltke auf der weltweit beäugten Sondersitzung des Nato-Rats das Veto vortragen lassen: Zusammen mit Frankreich und Belgien blockierte Deutschland den Beginn der Planungen zum Schutz des Bündnispartners Türkei, der aufgrund der Irak-Krise seine territoriale Integrität akut gefährdet sieht.
Von Moltke sang in Bremen natürlich ein Hohelied der Nato. Auch 53 Jahre nach ihrer Gründung sei die „Attraktivität der Allianz ungebrochen“, formulierte der Botschafter mit tapfer zusammengebissenen Zähnen. Von Moltke schwärmte von den „Operationen“ der Nato auf dem Balkan und sprach davon, wie wichtig das Bündnis im „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ sei. Auch nach der für 2004 geplanten Erweiterung von 19 auf 26 Staaten werde die Nato „ein wichtiges Forum der transatlantischen Kooperation bleiben“, gab der Referent Sprechblasen des pflichtschuldigen Optimismus von sich.
Was die Planungen für eine „eventuelle Beistandspflicht gegenüber der Türkei“ angehe, habe sich „eine zum Teil lebhafte Diskussion in der Allianz ergeben“, floskelte von Moltke. Er glaube, „dass wir uns rechtzeitig und in nicht allzu ferner Zukunft über die notwendigen Schritte einigen werden“.
Seine Privatmeinung deutete der altgediente diplomatische Fahrensmann nur zwischen den Zeilen an: Der Bundeskanzler habe „seine Haltung schon vor längerer Zeit festgelegt“, er als Botschafter müsse sich an die Weisungen seiner Regierung halten. Und diese Regierung sei nun mal der Ansicht, dass Hilfen für die Türkei derzeit „als Unterstützung der Nato für die amerikanischen Pläne bezüglich Saddam Hussein“ gewertet werden könnten.
Ein einziges Mal nur hätte von Moltke fast seine gusseiserne Contenance verloren: „Für Sie als Diplomat muss es doch schwer sein, Ihren Kollegen die Haltung der Bundesrepublik zu erläutern“, fragte ein Zuhörer. Von Moltke schwieg lange Sekunden, ehe er sich zu einer Antwort aufraffte: „Wir versuchen das, so gut wir das können.“ Aus dem Publikum kam mitleidiges Gelächter. jox