: Deutsche über Nicht-Deutsche-betr.: "Selbst sind die AusländerInnen", taz vom 8.5.89
betr.: „Selbst sind die AusländerInnen“, taz vom 8.5.89
Die taz-MacherInnen und die deutschen Linken insgesamt kommen sich sehr fortschrittlich vor, wenn sie den ausgrenzenden und national-chauvinistischen Kampfbegriff „Ausländer“ - der sich nicht auf Einwohner des Auslands, sondern auf „Mitbürger“ dieses Landes bezieht - nun noch um das feministische Schwänzchen „Innen“ ergänzen. (...)
In anderen Bereichen zeigen sich die germanischen Linken resistenter gegenüber dem ideologischen Einfluß der Herrschenden. Sie würden sich beispielsweise davor hüten, AKW-GegnerInnen als „Chaoten“ oder RAF-Häftlinge als „Terroristen“ zu bezeichnen. Sie würden auch nie von einem „Friedensauftrag der Bundeswehr“ reden. Aber TürkInnen oder AfrikanerInnen in Deutschland sind auch für sie keine EinwanderInnen, auch keine ethnischen oder kulturellen Minderheiten, sondern als außerhalb des Volkskörpers stehende „AusländerInnen“. Hier zeigt sich die Servilität der Linken gegenüber dem rassistischen und von oben verordneten Sprachgebrauch wie viele andere rassistische und untertänige Traditionen in diesem Land als unausrottbar. Sie ist kein parteipolitisches, sondern ein kulturelles Problem, das alle Schichten und Gruppen in dieser deutschen Gesellschaft umfaßt, und sie drückt den Interessenkonflikt zwischen dieser Gesellschaft und den Minderheiten mit oder ohne deutschen Paß sehr plastisch aus.
So ist auch die taz für die Minderheiten ein fremdes und unfreundliches Organ, ein Teil des herrschenden politischen und kulturellen Unterdrückungssystems von Deutschen über Nicht-Deutsche. In der taz, ähnlich wie in anderen deutschen Blättern, schreiben Deutsche über Nicht-Deutsche wie männliche Chauvis über aufmüpfige Frauen, und sie merken das überhaupt nicht, auch wenn man/frau es ihnen tausendmal sagt. Hieraus ergibt sich für die Minderheiten die Notwendigkeit, sich von der deutschen Szene, ihren Strukturen und Medien abzukoppeln und ihre eigenen einzurichten. Denn ohne diese Abnabelung werden sie nie in der Lage sein, selbstverantwortlich und selbstbewußt auf den eigenen Beinen zu laufen.
Yossi Ben-Akiva, Tübingen
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