: Deutsche Krämerseele feiert fröhliche Urständ'
■ Betr.: "Polenmarkt lohnt sich für Polen nicht mehr", taz vom 25.3.91
Betr.: »Polenmarkt lohnt sich für Polen nicht mehr«, taz vom 25. 3. 91
Endlich fällt am 8. April die Visumspflicht für Polen weg, nachdem wir lieben Bundesbürger schon seit 1. Januar 1991 nur noch unsere grüne Pappe hochhalten müssen, um die Oder-Neiße- Linie zu passieren. Ich freue mich darüber. Das wurde allerhöchste Zeit.
Wenn ich daraufhin heute in der U-Bahn sitze und mein Gegenüber hält mir unbeabsichtigt die 'Morgenpost‘-Zeile: „Kein Visum mehr ab April: Wieder 100.000 Polen am Wochenende?“ direkt vor die Nase, bin ich innerlich beschämt, wenn auch nicht sonderlich überrascht. Ich senke also meinen Blick wieder auf meine taz. Und hier bin ich zwar immerhin überrascht, aber auch ganz schön angewidert, wenn das einzige, was auch Euch zu diesem Thema Visumsfreiheit für Polen einfällt, eine miese, klischeesuppelnde Abhandlung über die aldischlangestehenden, HiFi-geilen, autoklauenden Polen mit zugehörigem Heckelmann-Zitat ist, die sich darum sorgt, wie man dieses Geschmeiß wohl am besten, zumindest ein bißchen, verteilen könnte.
Auch hier feiert also die deutsche Krämerseele fröhliche Urständ'. Besonders ekelerregend wirkt das auf jemanden, der wie ich in Polen die freundlichste Gastfreundschaft genossen hat, die von dem Wunsch nach und dem Bemühen um ein neues, nachbarschaftliches Verhältnis zu den Deutschen kündet. Das kann man angesichts der Geschichte dieses Verhältnisses nicht für selbstverständlich nehmen. Schon mal was von Achtung gehört? Charlotte Quack
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