Deutsch an US-Universitäten: German? No, thanks!
Amerikaner wollen kein Deutsch mehr sprechen. Bewerberzahlen für Germanistik an den US-Universitäten gehen zurück. Was bleibt, sind kombinierte Studiengänge.
Der Texaner Alex Fulk lernt seit 15 Jahren Deutsch. Er ist Doktorand der German Studies der University of North Carolina, Chapel Hill, und hofft, nächstes Jahr eine Tenure-Track-Stelle in einem Germanistikfach zu finden, also eine Stelle, die sich automatisch in Vollzeit umwandelt. Und wenn es nicht geht? Dann weiß er nicht genau. "Weil Germanistik so spezifisch ist, können wir Doktoranden viele unserer Kompetenzen gar nicht in der 'realen Welt' umsetzen", sagt er.
Germanistik ist an den amerikanischen Unis ein bedrohtes Fach. Als die University of South California 2008 ihren Fachbereich Germanistik schloss, gab es große Aufregung unter Fachleuten. Damit hatte die Krise der geisteswissenschaftlichen Ausbildung begonnen.
Heute ist klar: Es gab gute Gründe, um sich Sorgen zu machen. Bald darauf löste die State University of New York in Albany ihre Deutsch-, Russisch- und Italienischkurse auf. Im Jahr 2009 schloss die University of Iowa ihr PhD-Programm Germanistik - keine Promovierenden mehr in German Studies. Die Washington State University schaffte ihren Masterstudiengang ab - um etwa 100.000 Dollar einzusparen.
Dabei haben German Studies Tradition. Zuerst nach dem Ersten Weltkrieg verboten, gewann das Fach mit der Immigration der deutschen Intelligenz während der Weimarer Republik und des Zweiten Weltkriegs wieder an Renommé. Dabei galt Deutsch bis zum Ende des Kalten Kriegs als eine der wichtigsten Sprachen in den internationalen Beziehungen. Immer noch ist es nach Spanisch und Französisch die meistgelernte Sprache. Aber es muss heute mit Chinesisch oder Arabisch konkurrieren, die wegen politischer und wirtschaftlicher Interessen zum Schwerpunkt geworden sind.
Das Problem des Deutschen an den US-Hochschulen entsteht schon an den Highschools. Studenten lernen meist eine Sprache an der Universität, die sie schon in der Schule hatten. Aber Deutschsprachkurse an Schulen wurden von der Finanzkrise 2009 besonders hart getroffen: Nur 10 Prozent der amerikanischen Schulen bieten Deutsch als Fremdsprache an.
Der Fokus liegt eher auf den Naturwissenschaften
Für David Barclay, Geschäftsführer der German Studies Association, ist die Streichung der Deutschprogramme im Kontext der allgemeinen Krise der Geisteswissenschaften zu sehen. "Hochschulausbildung wird immer mehr als Vorbereitung für einen Beruf verstanden und die Tradition der freien Künste als überflüssig und elitär betrachtet", sagt Barclay. Der Fokus der Universitätsverwalter verschiebt sich immer mehr auf Naturwissenschaften, Technologien und Mathematik. Und die Studenten sind pragmatischer geworden.
Traditionelle Germanistikstudiengänge werden von vielen Studenten als veraltet empfunden. Um Deutsch an der Universität erfolgreich zu machen, ist es äußerst wichtig, Studenten anzuwerben - und sie auch zu behalten. Dafür müssten die Bedürfnisse der Studenten besser angesprochen werden.
An der Illinois State University zum Beispiel müssten die Pflichtkurse nicht mehr in einer festen Reihenfolge belegt werden, um den Flaschenhalseffekt zu verhindern: volle Einleitungskurse - aber fast keiner in den Folgeseminaren. Zwei Studiengänge zu kombinieren kann auch ein Schlüssel zum Erfolg sein: Seit an der Rhode Island University Deutsch zusammen mit Ingenieurwissenschaften als Doppel-Bachelor angeboten wird, sind die Sprachkurse voll, erzählt Barclay.
Auch die Graduiertenprogramme müssten kritisch geändert werden. An der University of South California, Santa Barbara, zum Beispiel gibt es kein eigenständiges Deutsch-PhD-Programm: Es wurde mit dem Studiengang Vergleichende Literatur fusioniert - und die Studenten können Deutsch als Schwerpunkt wählen. "Das ist ein Fortschritt. Da die meisten Studenten eine breite Auswahl an interdisziplinären Kompetenzen haben müssen. Sich in einer nationalen Literatur zu spezialisieren, ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Jocelyn Holland, Assistant Professor von German, Slavic and Semitic Studies.
So denkt William Cloonan auch. Er hat den Lehrstuhl für Moderne Sprachen und Sprachwissenschaften an der Florida State University inne. Genauso wie Deutschland vor allem im europäischen Kontext eine unerlässliche Rolle spielt, sieht er die europäische Integration auch für die Zukunft der German Studies als wichtig an. Man braucht keine germanistischen Fachbereiche mehr, argumentiert Cloonan, sondern interdisziplinäre Fakultäten, in denen die Wichtigkeit der deutschen Kultur deutlich wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?