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taz FUTURZWEI

Der taz-FUTURZWEI-Kommentar Konservativ gegen AfD und BSW

Die kommende Bundestagswahl entscheidet sich weder über Gerechtigkeit, noch über Wirtschaft oder Klimapolitik. Udo Knapp glaubt an die Beharrungskräfte der Gesellschaft.

Kann Merz für Konservative ein Gegenangebot zur AfD sein? Foto: picture alliance/dpa

taz FUTURZWEI | Die Ampel ist abgeschaltet. Nun folgt die Vertrauensfrage des Kanzlers Scholz am 16. Dezember, dann Auflösung des Bundestages durch Bundespräsident Steinmeier am 27. Dezember, schließlich am 23. Februar Neuwahlen. Bis dahin drohen zwei Monate Wahlkampf und damit die Rhetorik der Besserwisser, das Wir-sind-die-Besten-Geschwurbel, die Vielversprecher, die Warner vor dem Untergang, die Plakate mit den hohlen Sprüchen und die gegenseitige Verunglimpfung bis hin zur gefaketen üblen Nachrede.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) stellt Verteilungsgerechtigkeit nach vorn. In seiner Regierungserklärung vom 13. November sagte er: „Mir geht es darum, wie wir unser Land zusammenhalten, ob äußere und innere und soziale Sicherheit zusammengebracht werden oder nicht. Ich will vermeiden, dass es zu Verteilungskämpfen jeder gegen jeden kommt“.

taz FUTURZWEI N°30

taz FUTURZWEI – das Magazin, Ausgabe N°30: Wer ist das Volk? – Und warum ist Rechtspopulismus so populär?

Warum der Rechtspopulismus global und in Ostdeutschland so erfolgreich ist, können wir analysieren. Wie man ihn bremsen kann, ist unklar.

Diesmal im Heft: Jens Balzer, Ines Geipel, Jagoda Marini , Maja Göpel, Aladin El-Mafaalani, Thomas Krüger, Yevgenia Belorusets, Danyal Bayaz und Harald Welzer. Veröffentlichungsdatum: 10. September 2024.

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Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) will die Wirtschaft ankurbeln und mehr Zurückweisungen von Migranten an den Grenzen umsetzen. Seine bisherige Ablehnung der Schuldenbremse hat er mit dem Ausrufen der Neuwahl umgehend abgemildert: Auch ein Kanzler Merz braucht Spielraum, um seine Politik zu finanzieren. Die Bundeswehr muss schließlich wieder aufgerüstet werden. Dafür tritt auch Robert Habeck ein, der Spitzenkandidat der Grünen. Er wird im Wahlkampf immer wieder beschwören, dass nur die Transformation ins postfossile Jahrhundert langfristig Wohlergehen für alle sichern wird – durch die Energiewende, die Wärmewende und die Dekarbonisierung der Wirtschaft. FDP und Linke taumeln derweil ins politische Jenseits.

SPD Gerechtigkeit, Union Wirtschaft und Sicherheit, Grüne Dekarbonisierung, das hilft für eine plakative Unterscheidung. Aber Policy, die inhaltliche und programmatische Dimension von Politik, wird das Stimmverhalten der Wähler kaum beeindrucken. Das Wiederholen von oft Gehörtem langweilt. Das Unbehagen gegenüber den politischen Eliten wird zusätzlich befördert durch das Wiederantreten der alten neuen Figuren, die man schon zu kennen glaubt. Was haben denn Scholz, Merz und Habeck an hinreißender Rhetorik, an persönlichem Format Neues zu bieten, was es rechtfertigte, ihnen die Führung durch die Krisen, in denen wir leben, anzuvertrauen?

Die rechte Seite der Politik ist besetzt von AfD und BSW

Nur damit es im nationalen Policy-Gebrabbel nicht untergeht: Da sind auch noch Trump, sein „America first“ und sein Grusel-Kabinett, da sind mögliche Handelskriege mit China und den USA und der notwendige Ausbau europäischer Staatlichkeit, da ist das zwingende, rechtstaatliche Einhegen der Digital- und KI-Milliardäre, da ist globale Migration, da ist die Rückkehr des Krieges nach Europa, der Freiheitskampf der Ukraine, der noch nicht gewonnen ist, da ist Judenhass und Antisemitismus in Deutschland und Israels Überlebenskampf, von dem sich die deutsche Politik lauwarm fernhält. Da ist die Sorge, dass diese beiden Kriege erst der Auftakt eines heraufziehenden Systemkrieges zwischen Autokratien und Demokratien sein könnten, der dieses Jahrhundert prägen wird. Und da sind die zunehmenden Klimawandel-Katastrophen, die eine konsequente Klimapolitik erfordern, die es aber nicht gibt. Nicht zu vergessen: Das hüstelnde Wachstum der deutschen Wirtschaft.

Es ist nicht möglich, diese Herausforderungen in ein übergreifendes, Zustimmung generierendes Wahlkampfkonzept zu übersetzen. Deshalb braucht dieser Wahlkampf eine Ansage, die diese ganzen Schwierigkeiten überwölbt. Das könnte eine Ansage an die Beharrungskräfte in der Gesellschaft sein. Diese Beharrungskräfte mag man als konservativ oder rechts diffamieren. Die Idee ist, dass sie wie starke Schiffschrauben den Problemtanker auf einem erträglichen, aber trotzdem demokratischen Kurs in die Zukunft halten. Stand heute gibt es kein politisches Angebot, dass auf diese konservativen Beharrungskräfte in der Gesellschaft bewusst aufsetzt.

Die rechte Seite der Politik in der Republik ist besetzt von AfD und BSW. Aber die AfD ist nicht konservativ, sie ist rechtsradikal, sie ist demokratiefeindlich. Sie setzt nicht auf das Beharren auf der erfolgreich gelebten demokratischen Kultur in der Bundesrepublik. Sie setzt auf deren Zerstörung, auf autokratische Herrschaft.

Das BSW ist keine konservative, linkssozialdemokratische Partei, sie ist eine krypto-sozialistische Kadertruppe mit jetzt etwa – handverlesenen – 1.000 Mitgliedern. Ihre innere Struktur verstößt gegen die Vorgaben des Parteiengesetzes und den Artikel 21 des Grundgesetzes. Das BSW zeigt seine Demokratiefeindschaft in offener Parteinahme für Putin und neonationalistischer Rhetorik auf allen Politikfeldern.

Hat Friedrich Merz das Zeug zum Modernisierungskanzler?

Die zentrale Ansage der Parteien in der Mitte im Wahlkampf könnte darin bestehen, einen konservativen, auf Modernisierung zielenden Kurs in scharfer Abgrenzung zu AfD und BSW einzuschlagen. Friedrich Merz (CDU) hat das offenbar begriffen. Letzte Woche im Bundestag ragte aus seiner der Oppositionsrolle entsprechenden Abrechnung mit Scholz und der Ampel immer wieder eine kategorisch vorgetragene Verweigerung jeder Kooperation mit der AfD heraus.

Wenn er, wie zu erwarten ist, bei der Bundestagswahl eine einfache Mehrheit gewinnt, wird er gezwungen sein, mit den Grünen und der SPD eine Regierung gegen AfD und BSW zu bilden. Aus der Abgrenzung zur AfD gewinnt Merz jetzt Vertrauen im Elektorat. Dieses Vertrauen kann er nur selber verspielen, wenn er sich von machtgeilen Parteiführern in Sachsen und Thüringen am Nasenring führen lässt. Zu seinem strategischen Angebot der Demokratiesicherung gehört allerdings auch das klare Ausschließen jeder Kooperation der CDU mit dem BSW auf Bundesebene. Die gibt es bis jetzt nicht.

Da bis zu 40 Prozent für AfD und BSW zusammen nicht auszuschließen sind, müsste die CDU nicht nur das schleunigst tun, sondern umgehend von Grünen und SPD die gemeinsame Verantwortung für ein gemeinsames konservatives, die Demokratie sicherndes Modernisierungsprojekt einfordern. Stattdessen aber drischt man weiter stillos auf die Grünen ein und labelt die SPD als völlig zu Recht gescheiterten Verlierer. Ob Friedrich Merz die persönlichen Voraussetzungen mitbringt, auf dem Niveau von Adenauer und Kohl der dritte konservativen Modernisierungskanzler der CDU zu werden? Dazu bräuchte er erst einmal das Vertrauen der Leute. Das muss er jetzt gewinnen.

■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.