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Der taz-FUTURZWEI-Kommentar Es kommen härtere Tage

Donald Trump ist kein Faschist, meint Udo Knapp. Aber seine erneute Wahl zum Präsidenten zeigt, dass der autoritäre Konservatismus der Wille der Mehrheit in den USA ist. Das wird hart – auch für die Deutschen​.

Die zweite Wahl Trumps ist kein Unfall sie ist Programm und Wille der Mehrheit Foto: picture alliance/dpa/AP/Evan Vucci

taz FUTURZWEI | Trump ist kein Hitler. Er ist kein Faschist. Faschisten haben eine Idee, einen systematischen Plan, sie organisieren das Böse, sie sind fanatisch, ihre politischen Techniken sind Gewalt und Hass, sie zielen auf die physische Vernichtung alles Anderen, aller Anderen, alles Verschiedenen. Jene Demokraten, die diese Rhetorik benutzen, bestätigen sich selbst, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, aber vor allem schwächen sie ihre Sache, wenn sie glauben, sie könnten jeden „rohen Konservativen“ mit der Faschistenkeule von seiner Gefolgschaft abspalten.

Trump ist radikal, brutal, ordinär, ein Lügner, ein sexistischer Verächter der Frauen, er ist autoritär. Selbstzweifel kennt er nicht. Zukunftsträume jenseits seiner von ihm ausgelegten Machtspielräume hat er keine. Die Komplexität der Wirklichkeit interessiert ihn nicht. Die Klimakrise hält er für eine Erfindung verlogener Wissenschaftler. Alles soll so bleiben, wie es immer war oder wieder so werden – das ist sein Versprechen. Diesen Trump hat die Mehrheit der US-Amerikaner ins Weiße Haus gewählt. Er ist der Prototyp ihres amerikanischen Helden, der seinen Willen zur Lösung aller Probleme mit der erhobenen Faust selbst im Moment seiner extremsten persönlichen Bedrohung bekräftigt. Die zweite Wahl Trumps ist kein Unfall, keine Verirrung der dummen Hälfte Amerikas, sie ist Programm und Wille der Mehrheit. Sie wollten keine Frau und schon gar keine schwarze Frau. Sie wollen Führung durch einen autoritären Konservatismus, das ist die Erwartung der Mehrheit für Trumps Präsidentschaft.

Die andere Hälfte Amerikas und Kamala Harris haben nicht versagt. Sie hatten von vorneherein keine Chance. Die Bindekraft demokratischer, aufgeklärter und ziviler Werte, die Erzählung von Chancen, Aufstieg und Erfolg für alle, der Respekt vor Klugheit und Zukunftsvertrauen sind verloren gegangen. Das liberale Amerika an der Ost- und an der Westküste, seine Intellektualität, seine konstruktive Rolle als die den Westen prägende Elite, all das hat die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft nicht verringert, sondern vertieft. Alle gesellschaftspolitischen Errungenschaften und auch die Tatsache, dass es die liberalen Eliten sind, die mit ihrem Wirklichkeitsbezug, ihrem Wissen und ihren Ideen das Land auf Zukunftskurs halten, haben die andere Hälfte Amerikas nicht beeindruckt. Im Gegenteil, sie werden für ihren Erfolg gehasst.

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Auf Trumps Amerika kann Europa nicht mehr bauen

Nach dem Ende des II. Weltkrieges hat Amerika allen westlichen Demokratien ein Versprechen gegeben, das lautete: Freiheit, Selbstermächtigung, Demokratie und Wohlstand für alle, die, wo auch immer auf der Welt, dafür eintreten. Dieses Versprechen hat sich mit der Wahl Trumps erledigt. Amerikanischer Lebensstil und amerikanische Kultur haben als Gesellschaftslabor die USA selbst und viele Generationen des Westens geprägt. Bob Dylan, Leonard Cohen, Joni Mitchell, Nina Simone, Edward Hopper und viele andere waren auch unsere Herzenshelden. Jetzt gilt nur noch das banale „America first“. Die Techgiganten von Musk bis Bezos haben an der Seite Trumps mit ihrer unregulierten Macht über alle Daten und die sozialen Medien eine sinnentleerte und allein auf Investitionen und Profit zielende Fake-Kultur etabliert.

Auf dieses Amerika können die anderen westlichen Demokratien, vor allem jene in Europa, nun nicht mehr uneingeschränkt bauen. Sie müssen in jeder Hinsicht eigene Anstrengungen unternehmen, von der geistigen bis zur realen Selbstbehauptung in der Welt.

Kann zum Beispiel sein, dass sie ohne Amerika die Ukraine vor den Russen retten müssen und dafür das Aufrichten einer europäischen Souveränität jetzt beschleunigen. Es könnte aber auch sein, dass die politischen Eliten Europas sich stattdessen den auch hier stärker werdenden konservativ-autoritären Populisten anverwandeln.

Die amerikanischen Gesellschaft ist tief gespalten

Die Bilder weinender schwarzer und weißer Frauen während Kamala Harris' Rede, mit der sie ihre Niederlage eingestanden hat, haben tief berührt. Ihr Appell an alle Frauen, den Kampf um das Recht nicht aufzugeben, selbstbestimmt über ihr Leben zu entscheiden, hat zwar viel Beifall bekommen, aber die Tränen nicht getrocknet. Das ist nachvollziehbar. Wenn nicht alles täuscht, werden die US-Amerikanerinnen den frauenfeindlichen Furor der autoritären Konservativen auf viele Jahre hinaus erleiden müssen. Es ist aber auch schwer vorstellbar, dass sich die liberalen Frauen einfach wieder an die Kochtöpfe und unter die Dominanz ihrer Ehemänner zurücktreiben lassen.

Auch wenn mit Trump das autoritär-konservative Amerika die politische Hegemonie, zumindest für die nächsten vier Jahre, gewonnen hat, bleibt die amerikanische Gesellschaft antagonistisch gespalten. Es kann von zwei Gesellschaften in einem Land gesprochen werden. Wenn das lähmende Erschrecken über Trumps Sieg verflogen sein wird, wenn die Demokraten die schwierige Aufarbeitung der Niederlage hinter sich gebracht haben, werden die Gegensätze in der amerikanischen Gesellschaft sichtbar und hart aufeinander prallen. Wenn die Trump-Regierung loslegt, dann steht im Raum: Obama Care abwickeln, das Impfen stark behindern, die Abtreibung verbieten, das öffentliche Schulsystem destabilisieren, jede Klimapolitik abwickeln, die Ukraine und ihre Menschen den Russen überlassen, Handelskriege auslösen, noch schärfer gegen illegale Einwanderung vorgehen und das 22. Amendment der Verfassung aushebeln, die Beschränkung der Amtszeit aller Präsidenten auf acht Jahre. Das Meiste würde die Spaltung weiter vertiefen und sich negativ auf den Alltag vieler Bürger auswirken.

Das weiße Amerika, das restauriert werden soll, ist längst und unwiderruflich Geschichte. Das Amerika von heute wird sich seine Freiheit und sein Recht auf Glück von den autoritären Konservativen nicht einfach wegnehmen lassen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Spannungen zwischen den beiden Amerikas bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Wirren zuspitzen werden. Das betrifft aber nicht nur die USA. „Es kommen härtere Tage“ für den ganzen Westen. Auch für die Deutschen.

■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.