: Der selbstmörderische Gesang der Frauen
■ Elvis Costello macht Schluß mit seiner nutzlosen Schönheit
Er hört sich niemals an wie irgendwer. Trotz seiner diversen Verkleidungen (mit Bart ohne Brille oder mit Brille ohne Bart) ist Elvis Costello natürlich immer an seine Stimme gebunden. Und die ist eben nicht zu verwechseln, zu vergleichen, zu verhindern. Suchte er sich selbst noch zu entkommen, indem er mit einem Streichquartett Briefe einspielte und so gleichzeitig den Schulterschluß mit der Hochkultur vollzog wie die Privatheit auf die Spitze trieb, besinnt er sich mit All This Useless Beauty auf das was er kann wie kaum ein anderer: Pop-Songs schreiben.
Die 12 Stücke seiner 19. Platte hatte Costello ursprünglich für andere Musiker geschrieben. Doch die Beschenkten wie Johnny Cash, so verriet Allan Bangs kürzlich auf VH-1, nahmen diese nie auf. „Dann mache ich es eben selbst“, muß sich Costello, die Schmach schnell verwindend, gedacht haben. Für dieses Projekt hat er sich sogar wieder mit seiner alten Band Attractions vertragen und läßt das Brodsky Quartet nur noch gastieren. Dabei ist vielleicht so etwas wie eine Schlüssel-Platte entstanden.
Denn das programmatische Titelstück von der nutzlosen Schönheit schnurrt langsam und unambitioniert über einige Klaviertupfer. Selbst wenn hier mal wieder eine Frau besungen wird, die auf ihren Märchenprinz wartet, läßt sich der Refrain „What shall we do with all this useless Beauty?“ auch als versteckte Antwort auf seine Kritiker verstehen. Denn zuletzt mehrten sich doch die Stimmen, die Costello zwar zu den besten Songwritern Englands zählten, seine ambitionierten Arrangements aber für ziemlich angestrengt befanden.
Doch auch musikalisch hat Costello abgespeckt und rockt gleich in „Complicated Shadows“ seit langem mal wieder „mit einer Stimme wie aus einem John-Ford-Film“ (Textzeile) richtig selbstsicher los. Das wird manche seiner Fans verstören, die in ihm eine vertraute Seele sehen, die bei aller Differenz zur Welt dem Selbstmord standhielt. Die „Efiminisierung“ seiner Texte jedoch hat Costello dennoch beibehalten: Verzweifelte Frauen und „Distorted Angels“ sind immer noch seine Hauptdarsteller.
Volker Marquardt
Mi, 3. Juli, 21 Uhr, Große Freiheit
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