Der relativ abgeschlossene Roman: Voll die Krise
■ Neulich am Döner-Stand belauscht: Warum die Gabi mit dem Jürgen Schluß gemacht hat. Ein neudeutsches Alltagsdrama
Gabi hat mit Jürgen Schluß gemacht. Das hab' ich kommen sehen. Jürgen war ja zuletzt mehr im TSV-Heim als zuhause. Und da ist Gabi eben mal alleine ins „Sunrise“ gegangen. Und Sonnabend hat sie da Jens getroffen, mit dem sie sich vor Weihnachten so tierisch verkracht hat. Jens hat sich jetzt bei Delmenhorst ein altes Bauernhaus gemietet. Der wollte ja schon immer raus aus der Stadt. Jedenfalls hat es irgendwie wieder zwischen Gabi und Jens gefunkt, und sie ist mit ihm abgezogen.
Jürgen erst mal ahnungslos. Steht Sonntagmorgen in der Küche und backt Hörnchen auf. „Du, Gabi“, ruft Jürgen ins Badezimmer, „was war gestern eigentlich auf Szene los?“ „Ich hab Jens getroffen“, sagt Gabi, „wir haben schön einen ausgeschnackt.“ Jürgen schaut erst mal ganz sparsam. Aber obersparsam. „Jens?“, fragt er. „Ich denke, ihr habt Zoff?“. „Naja“, sagt Gabi, „das war ja nur so.“ „Wie: Nur so“, fragt Jürgen. „Na eben nur so“, sagt Gabi. „Ist ja eigentlich ein netter Kerl. Und überhaupt.“ „Wie überhaupt?“, fragt Jürgen. Da haben allerdings schon die Hörnchen gequalmt. „Ach, was Du immer hast“, sagt Gabi.
Jürgen ist voll auf Turbo. Er will sofort alles wissen über Jens. Jens hat Gabi nämlich kurz vor Weihnachten mit dem Jetta geleimt. Verkauft Ihr einen Jetta, und gleich ist die Kopfdichtung durch. Motor auf der Bahn voll versägt. „Wenn Du den auch so heizt!“, hat Jens gesagt und wollte mit allem nichts zu tun haben. Zwei Riesen hat er bei Gabi für den Jetta abgegriffen, obwohl er damals mit ihr zusammen war. Und dann das. Gabi hat ihn natürlich gleich vor die Tür gesetzt. Eigentlich wollte sie noch mit einem Anwalt gegen angehen, aber sie hatte keinen Rechtsschutz.
Dafür hat sie gleich zwei Tage später was mit Jürgen angefangen, und Jürgen hat an Jens seinem Golf vier Reifen plattgemacht. Früh um drei am Dobben: Pffffft. Jens hat natürlich was geahnt. Aber er hatte keine Beweise.
Bald darauf hat Jürgen Jens im „Arena“ getroffen. Voll der Terz. Aber Jürgen ist ganz cool geblieben. „Wenn deine Alte abkneift, kann ich doch nichts dafür“, hat Jürgen gesagt und sich umgedreht. Jens war total auf Krise. Er konnte aber nichts machen, weil Jürgen mit Michael und Klaus unterwegs war. Da ging ihm der Stift. Sonst macht er ja gerne schon mal den Larry. Im „Smash“ hatte er deswegen schon mal Lokalverbot. Das war damals die Sache mit Fidi.
Jens verkauft Fidi ein Autoradio. „Spielt das auch?“, hat Fidi noch gefragt. Bernd und Angela waren dabei. „Ja“, hat Jens gesagt, „das spielt super.“ Fidi baut jedenfalls das Autoradio ein – kein Ton. Nur so eine Leuchtschrift auf Englisch. Er ruft gleich bei Jens an. „Alter, dein Radio, das kannst du dir knicken. Das spielt nicht.“ „Du hast bestimmt die Masse falsch angeschlossen“, sagt Jens, „dann pfeift das Teil voll ab.“ Na, jedenfalls fährt Fidi mit dem Radio zum Boschdienst. Die haben da erst mal gar nichts gesagt. Plötzlich stehen die Grünen auf dem Hof. „Dürfen wir mal das Radio sehen?“. Tja. Stellt sich raus, daß das so ein Teil mit Code war. In der Neuwieder Straße aus einem BMW gezottelt. Die Grünen nehmen das Radio mit. Und Fidi auch gleich.
Jetzt wollte Fidi von Jens den Hunni für das Radio wiederhaben. Trifft ihn abends im O-Weg. „Sonst scheiß ich dich an“, hat Fidi gesagt. Jens sagt aber so und so, wenn Fidi das Teil falsch anschließt und noch die Bullen ruft, dann kann das Radio auch nicht spielen. Mit dem Geld, das könne Fidi sich brennen. Fidi sagt, dann scheißt er ihn eben an. Ein Wort gab das andere – plötzlich geht Fidi ans Telefon und tut so, als ruft er die Bullen an. Jens hinterher und gibt ihm voll eine ins Kreuz. Dann gibt er Fidi noch eins und will raus. Aber die Bedienung hält ihn fest, großer Tumult, und Fidi ist schon wieder hoch und rollt mit Jens vor der Tür. Plötzlich – quietsch, die Grünen. Jens wird erst mal hopsgenommen, und das „Smash“ will von ihm einen kaputten Stuhl bezahlt haben. Außerdem Lokalverbot.
Jedenfalls hat Gabi von den zwei Riesen für den Jetta mit der Kopfdichtung keinen Pfennig wiedergesehen. Und deshalb war Jürgen an dem Sonntagmorgen voll auf Turbo, weil Gabi wieder mit Jens geschnackt hat. Gabi noch im Badezimmer, und Jürgen am Frühstückstisch. „Hat er dir wieder ein Auto angeschnackt oder was?“, ruft er ins Badezimmer. „Nö“, sagt Gabi, „aber wir wollen die Woche mal zum Griechen gehen. Außerdem will ich mir Jens seine neue Bude ansehen. Hat sich bei Delmenhorst so ein altes Bauernhaus gemietet. Mit Hühnern und so. Er hat jetzt einen Job bei Klöckner.“
Als Gabi am Frühstückstisch sitzt, sagt Jürgen erst mal kein Wort. Steckt sich eine nach der anderen an und sagt nichts. Gabi macht voll die Coole, schiebt sich den Toast rein. Zu Angela hat sie schon neulich gesagt, daß Jürgen so ein flacher Onkel ist. Wenn er seine Stütze holt, muß er erst mal in der Szene die Deckel bezahlen. Und anstatt ordentlich was schwarz zu machen, sieht er lieber Glücksrad oder spielt Nintendo. Und wenn Gabi sich mal bei „Jean Pascal“ ein schickes Teil holt, macht er gleich den Breiten. Dabei bekommt Gabi das Geld von ihrer Oma, damit sie sich Klamotten kauft für auf die Arbeit.
Jedenfalls sagt Angela, daß Jürgen ein schwieriger Typ ist und nichts auf der Naht hat. Neulich hat er einen Job bekommen können als Fahrer bei „Beck–s“, aber da hat er sich gleich wieder den gelben Schein geholt. Seit drei Wochen will Gabi zu IKEA fahren, aber sie mußten erstmal die Stadtwerke bezahlen. Naja.
Also die beiden sitzen am Frühstückstisch, und Jürgen auf Hundert. Hatte am Vorabend schwer einen in der Birne vom TSV-Heim. Plötzlich sagt er zu Gabi: Wenn sie Jens besuchen will, dann soll sie am besten gleich dableiben. Er hätte keine Lust auf so einen Film. Überhaupt hat er schon überlegt, ob er wieder bei seiner Mutter im Eichenweg einzieht, weil sein Bruder da ausgezogen ist nach Kattenturm mit seiner Freundin zusammen. „OK“, sagt Gabi, „dann pack' mal deine Sachen.“ Voll cool. Jürgen sagt kein Wort, packt seine Sachen und raus. Dann kommt er wieder rein und will den Autoschlüssel. Gabi sagt aber, daß er sich das klemmen kann, weil es ihr Auto ist. Jürgen macht noch groß den Terz und Randale, aber Gabi hat ihn einfach rausgeschmissen.
Am Abend hat Jürgen gleich angerufen und gesagt, es war nicht so gemeint und so, ob sie noch mal reden können. Aber Gabi hat einfach aufgelegt.
Sie hat einfach mit Jürgen Schluß gemacht. Schluß, aus. Aber Angela sagt, mit Jens will sie auch nicht wieder richtig was anfangen. Höchstens mal was essen gehen oder so. Gabi hat nämlich einen kennengelernt, der fährt einen siebener BMW und kennt den Wirt von einem neuen Rave-Schuppen gut. Da kann sie vielleicht abends jobben. Der Typ wär voll gut drauf, sagt sie.
Jedenfalls hat sie jetzt mit Jürgen Schluß gemacht. Aber echt: Ich hab' das kommen sehen. So einen Typ, den kannst du dir von der Backe wischen. Lutz Wetzel
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