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■ Der neue Plenarsaal, ein Symbol der Umverteilung von Ost nach WestAuch ein Glashaus zementiert

Eher schwebt es, als daß es stünde, das neue Glashaus der Nation. Doch so federleicht und transparent der neue Plenarsaal am Rhein auch wirken mag, so schwer ist sein symbolisches Gewicht. Auch Glas kann zementieren: den Sitz von Bundestag und Bundesregierung in Bonn, die Lage Ostdeutschlands als einen bloßen Wurmfortsatz der alten Republik, das Fortdauern einer trotz oder sogar wegen aller Finanztransfers schleichenden Umverteilung von Ost nach West.

Stünde der Plenarsaal allein, es bliebe beim Symbol. Aber er steht eben nicht allein. Rings um das Glashaus werden riesige Baugruben mit Betonfundamenten ausgegossen. Wenige Tage vor der Einweihungsfeier genehmigt sich ein Bundestagsausschuß neue Großbauten für die Parlamentsverwaltung, als habe es den Umzugsbeschluß nie gegeben. Die Beteuerungen, der Umzug finde in der beschlossenen Frist statt, werden seltener und finden, wenn überhaupt, nur noch als müdes Ritual statt. Wären sie ernst gemeint, wäre die Verschleuderung weiterer Steuergelder für immer neue Büroquadratmeter am Rhein längst gestoppt. In Wahrheit widerspricht heute kaum noch jemand dem Klagegesang derjenigen, die den Bonner Betonmischer füttern und die hohen Kosten eines Umzugs nach Berlin beklagen. Es scheint inzwischen Konsens zu herrschen, die eigentliche Elendsregion Deutschlands liege zwischen Rhein und Sieg – als sei es die Stadt Bonn, die, von der Pleite bedroht, erwägen müsse, ihr Opernhaus zu schließen und Kliniken dichtzumachen.

Die simple ökonomische Rechnung, daß eine funktionslose und von Subventionen abhängige Millionenstadt Berlin mitten in einem deindustrialisierten Ostdeutschland den Bundeshaushalt langfristig viel teurer kommt als die Milliarden, die der Umzug kostet – das ist ein Argument, das immer noch irgendwo auf den 600 Kilometern zwischen Berlin und Bonn im Stau steckt. Der Berliner Senat glaubt nach wie vor, es sei besser, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, als mit lautstarkem Protest die Investoren zu verunsichern, die Berlin meiden könnten, wenn sie den Glauben an das Hauptstadtversprechen verlieren. Die Berliner sollten erkennen: Nur wer im Glashaus sitzt, braucht nicht mit Steinen zu schmeißen. Hans-Martin Tillack

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