: Der mit dem falschen Pass
Essens Fußballlegende Willi Lippens wurde 60 Jahre alt
In jedem Länderspiel ein Tor habe er für Oranje erzielt – das sei doch „ein guter Schnitt“, witzelte einst Willi Lippens, in den 60er und 70er Jahren Fußballprofi bei Rot-Weiß Essen und Borussia Dortmund, der sein erstes und einziges Spiel für Hollands Nationalmannschaft 1971 gegen Luxemburg bestritt. Der „genialste Linksaußen Europas“ der 70er Jahre, der als Sohn eines niederländischen Vaters in Hau/Niederrhein geboren wurde, feierte gestern auf seinem Hof in Bottrop 60. Geburtstag im Freundeskreis. Eingeladen waren auch zwei Ex-Kollegen: Bernd Nickel und Klaus Fischer.
„Der kann ja nicht mal richtig gehen“, soll sein erster Trainer gesagt haben, als der 19-Jährige 1965 bei Schwarz-Weiß Essen zum Probetraining auflief. Elf Jahre lang war der Dribbelkönig dann Publikumsliebling beim Lokalrivalen Rot-Weiß, wegen seines Watschelgangs verpasste ihm der Journalist Jürgen Abel den Spitznamen „Ente“. Er habe „immer nur für die Galerie“ gespielt, bilanzierte „Ente“ Lippens seine Profikarriere, die er nach drei Jahren in Dortmund (1976-‘79) und einem weiteren in den USA Anfang der 80er Jahre beendete. Das Geheimnis seines Erfolgs: Lippens war Rechtsfuß auf Linksaußen mit einem unbändigen Drang zum Tor, womit er einfach gestrickte Verteidiger wie Berti Vogts zur Verzweiflung trieb. Dabei umspielte er den Gegner lieber drei- als einmal und dazu noch mal sich selbst, bevor er zum Schuss ausholte. „Nie habe ich einen erlebt, der mich ganz ausschalten konnte“, sagte Lippens einmal. Seine Strafraumphilosophie lautete: „Nie habe ich eine Torchance überhastet vergeben, lieber habe ich sie vertändelt.“ 92 Tore hat er in 242 Bundesligaspielen erzielt.
„Der hat alles, nur nicht den richtigen Pass“, bedauerte Anfang der 70er Jahre Bundestrainer Helmut Schön, der Lippens wiederholt zu überreden versuchte, die Staatsbürgerschaft zu wechseln. Doch Lippens Vater, der sich 1942 geweigert hatte, als Freiwilliger an die Front zu gehen, war strikt dagegen, dass sein Sohn ein deutsches Trikot überstreifte. „Wenn Du Deutscher wirst, brauchst du nicht mehr nach Hause zu kommen.“ Im Februar 1971 durfte Lippens mit Keizer, Cruijff und Neeskens spielen. Die in ihm wiederum den verhassten Deutschen sahen. Es blieb bei einem Mal und einem Treffer. „Schadenfreude“ habe er beim WM-Endspiel 1974 empfunden, sagte Lippens. „Mit mir wäre Holland Weltmeister geworden.“ HENK RAIJER