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Der mit dem Geldbeutel denkt

Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Wolfram „Häppchen“ Weimer, Kulturstaatsfürst

Halb Säckelmeister, halb Kulturnudel: Wolfram Weimer Foto: dpa

Von Peter Köhler

Er ist ein Paradies, dieser Biergarten, in dem man Stunden auf seinem Hintern zubringen könnte, Toiletten sind aber auch im Haus. Wie ein Kristall funkelt der Tegernsee in der Sonne, die gelb durch den blauen Himmel hindurchleuchtet, kein Wolkenkratzer fährt dazwischen. Die Luft ist sauber und glatt wie ein Kinderpopo. Besucher aus aller Welt ankern hier und fotografieren sich vor dem von Gott hingehauenen Alpenpanorama.

Noch schöner wird es, wenn man ein paar hundert Meter den Hang hinaufkurbelt. Dort, wo es nicht mehr nach Touristenmasse riecht, residiert Wolfram Weimer. Außer ihm haben seine Frau und die drei Söhne hier ihren Nistplatz, und etwas weiter entfernt, in Gmund, brütet ab und zu Friedrich Merz, der ihn als Kulturstaatsminister in seinem Kabinett geparkt hat.

Über den See hinweg können sich die zwei sogar ohne Fernglas abtasten, denn beide ragen auch in fünf Kilometer Entfernung 1,98 Meter vom Erdboden auf. Mehr noch, einer kann dem andern am selben Tag gratulieren, weil beide am 11. November Geburtstagstorte haben.

Dort stößt man dann auch auf Ludwig Erhard, der sich und seine Familie ebenfalls in dieser wie mit dem Pinsel orchestrierten Landschaft abgestellt hatte und, obwohl 1977 in den Himmel aufgefahren, noch immer lebt: Ausgerichtet von Weimers Weimer Media Group, wird am See Jahr für Jahr der Ludwig-Erhard-Gipfel aufgewickelt, auf dem das Spitzenpersonal der wichtigsten Entscheidungsträger unter den Führungskräften der höchsten Elite bei Sekt und Häppchen dem Globus die Ohren langzieht; zu haben zum Stückpreis von 2.700 Euro pro Person, nicht umgekehrt.

Böse Zungen behaupten, Wolfram Weimer sei ein Mann der Wirtschaft und habe vom Tuten und Blasen der Kultur keinen Schimmer. Nichts könnte schräger sein, wie die Produkte seiner Mediengruppe beweisen: The European steht für große Oper, die Börse am Sonntag für Drama und Komödie, der Wirtschaftskurier für Gebrauchslyrik; Markt und Mittelstand liefert impressionistische Bilder und Business Punk macht Musik nach Banknoten – alles Zeugnisse der Künstlernatur Weimers, der die Kunst versteht, Geld zu machen, woraus auch immer.

Fantasie, Imagination, Erfindungskraft, die jeder Kunstschaffende in seinem Rucksack hat, legte Weimer schon mit seinem fiktionalen Werk „Der Supernanny-Staat“ an den Tag. Darin fabuliert der Meister von einem abgenudelten Land, in dem die Armen die Reichen bis auf die Knochen ausleeren. Eine noch schwärzere Dystopie entwirft der Dichter und Trachter in seinem „Konservativen Manifest“. In dieser Satire verherrlicht Weimer mit raffiniert gespieltem Ernst die morschen Werte Nation und Tradition, Heimat und Familie, Gott und Christentum und setzt spätestens, wenn er die verdampfte Weltstellung Europas und den Schwund seiner Kolonien mit Krokodils­tränen bespritzt und bewimmert, selbst den dümmsten Lesern einen Haken ins Ohr.

In Wahrheit gilt bei diesem schlau zusammengenagelten Pamphlet, die Leser haben den Braten längst gegessen, die alte Weisheit: Ein Werk kann um eine ganze Welt klüger sein als sein Verfasser. Tatsächlich ist Weimer von Kindheit an durch Heimat und Familie konservativ frisiert, gepflegt und angezogen, vollstreckte willig seinen Wehrdienst für die Nation, wie es die Tradition befiehlt, und studierte vermöge der Konrad-Adenauer-Stiftung auf Kosten der Christenheit, um am Ende mit einer finanzwissenschaftlichen Arbeit wie Gott mit einem Doktortitel dazustehen.

Danach fing er sich erst die FAZ ein, bevor er sich in Gestalt der Welt mit Springer infizierte, und spuckte, nachdem er kurz an Focus erkrankt war, schließlich das Magazin Cicero aus, bescheiden benannt nach dem Wolfram Weimer der antiken römischen Republik. Gleich Marcus Tullius, der noch heute Regale bis Oberkante Unterlippe verstopft, vermag Wolfram Robert Wilhelm jeden Gedanken, den er zapft, in ein Buch zu verwandeln. Nur hält er zu diesem Zweck seinen Rüssel einfach bei den wirklich Großen rein, statt selbst den Apparat anzuwerfen: „Mit Platon zum Profit“ und „Mit Goethe zum Gewinn“ heißen zwei Werke, denen voraussichtlich „Mit Merz zum Minister“ folgt – aus zwei Gründen allerdings ein Leerbuch.

Richtig: Bei Weimer hatte Kultur bisher Platz in einem Beutel. Aber auch zur Entspannung der Entscheidungsträger unter den Führungskräften des Spitzenpersonals hat sie ihren Platz bei Sekt und Häppchen! Gut abgelagert und in Jahrhunderten gereift, kann echte, wahre, alte Kunst und Literatur jedes Dasein mit einer Aura auspolstern, eine Bibliothek mit echten Büchern, gebunden in Auerochsenleder, ebenso wie ein teures Gemälde als Abstelltisch für die kostbaren Cocktails. Allerdings: Wirklich schön und wertvoll im Leben ist was anderes. Der Tegernsee, die Sonne am Himmel und die saubere Luft.

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