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Archiv-Artikel

Der ewige Insasse

Die Silhouette seines Kopfs mit dem Wust aus Dreadlocks war und ist immer noch auf unzähligen Flugblättern und Plakaten zu sehen. Selbst wer den Fall Mumia Abu-Jamal in den vergangenen 26 Jahren nicht verfolgt hat, dürfte davon schon einmal Notiz genommen haben. Der Umriss ist ein Symbol geworden, so wie die ganze Person des heute 53-jährigen Abu-Jamal ein Symbol für den Kampf gegen eine rassistische US-Justiz, gegen die Todesstrafe und gegen alles Undemokratische an den USA geworden ist.

Der schwarze Journalist und Taxifahrer hielt in der Nacht zum 9. Dezember 1981 seinen Wagen auf einer Straße Philadelphias an, um seinem jüngeren Bruder zu helfen, der geschlagen wurde – von dem weißen Polizisten Daniel Faulkner. Was dann folgte, bleibt wahrscheinlich für immer unklar. Abu-Jamal selbst sagt, er könne sich an nichts erinnern, weil er selbst von einer Kugel getroffen wurde. Am 3. Juli 1982 wurde Abu-Jamal des Mordes an Faulkner für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

Der Fall Abu-Jamal wurde in den folgenden Jahren zum Paradigma einer Anklage von Menschenrechtlern und Anwälten: Abu-Jamal sei wegen seines Engagements bei den Black Panthers verurteilt worden. Die US-Justiz sei rassistisch, mittellose Angeklagte erhielten keinen fähigen Rechtsbeistand, Indizien würden manipuliert. Daran schloss sich die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe an.

Zur Wiederaufnahme des Verfahrens hatte Abu-Jamal später allerdings hervorragende Anwälte. Sein Rechtsanwalt Len Weinglass aus einer berühmten New Yorker Kanzlei tourt seit vielen Jahren durch die Welt, sprach in Deutschland ebenso in Autonomen-Zentren zu Linksradikalen wie im Gebäude des Spiegel zu Journalisten. Abu-Jamal selbst veröffentlichte seit Mitte der 90er-Jahre mehrere Bücher, das bekannteste dürfte „Aus der Todeszelle“ sein.

Zweimal waren bereits Hinrichtungstermine angesetzt, wurden dann aber wieder aufgeschoben – zuletzt im Jahr 1999. Im Dezember 2001 hob ein Bundesrichter in Philadelphia wegen schwerer Verfahrensfehler das Todesurteil auf. Die Staatsanwaltschaft beantragte sofort die erneute Verhängung. Am gestrigen Donnerstag nun hat ein US-Berufungsgericht das Todesurteil erneut aufgehoben. Die Verurteilung Abu-Jamals wegen Mordes hielten die Bundesrichter in Philadelphia aber aufrecht. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Möglichkeit, vor einem Geschworenengericht erneut die Todesstrafe gegen den Inhaftierten zu beantragen. Sollte sie darauf verzichten, würde Abu-Jamals Strafmaß automatisch in lebenslange Haft umgewandelt. ULRIKE WINKELMANN