Der ehrgeizige türkische Trainer Fatih Terim: Der Imparator will nach oben
Der türkische Coach Fatih Terim hat seine Mannschaft auf den Erfolg eingeschworen. Er will auf die gleiche Stufe wie die anderen großen Trainer aus Europa.
WIEN taz Fatih Terim ist ein mit allen Wassern gewaschener Mann - neben all dem, was man dieser Trainerpersönlichkeit aus der Türkei noch zuschreiben kann. Als Sohn eines Pistazienverkäufers wurde er 1953 in Adana geboren. Der Ehrgeiz, es einmal besser zu haben, trieb den talentierten Fußballer an. Was ihm dabei immer erhalten blieb: sein Jähzorn und der Drang, um jeden Preis zu den Gewinnern zu gehören.
Heute ist Fatih Terim 54 Jahre alt und seit 23 Jahren Fußballtrainer. "Imparator" - Kaiser, so nennt man den Mann in der Türkei. Er hat als Nationaltrainer die Türkei 1996 erstmals zu einer EM-Endrunde gecoacht, führte von 1996 bis 2000 Galatasaray Istanbul viermal hintereinander zur Meisterschaft und 2000 als erste türkische Mannschaft zum Sieg im Europapokal. Der Triumph in der Heimat bescherte Terim als erstem türkischen Trainer Engagements bei europäischen Spitzenvereinen, beim AC Florenz und beim AC Mailand, wo er allerdings nach nur zwei Monaten wieder entlassen wurde. Diese Enttäuschung hat lange an ihm genagt. Unfehlbar fühlte er sich bis dahin. Diese Selbstherrlichkeit hat ihn sein Gefühl für die richtigen Entscheidungen verlieren lassen. Terims zweites Engagement bei Galatasaray von 2003 bis 2005 mündete in einer unehrenhaften Entlassung. Und die Begleitumstände des skandalösen Scheiterns der Türken bei den Entscheidungsspielen zur Qualifikation zur WM 2006 zerstörten seinen Ruf in Europa. Terim, der für den ungeliebten Vorgänger Ersun Yanal als vermeintlicher Heilsbringer verpflichtet wurde, zeigte damals seine nationalistische Fratze und ritt krude Verschwörungstheorien. Er wusste: Seine einzige Möglichkeit, als Trainer auf internationalem Niveau weiterzuarbeiten, war die Teilnahme an dieser EM.
Er hat es in einer quälenden Qualifikation in letzter Sekunde geschafft. Man bekommt eine Ahnung davon, was Terims Coaching ausmacht, wenn Mittelfeldspieler Hamit Altintop nach dem Sieg gegen Tschechien erzählt, es habe in der Halbzeit "einen Arschtritt vom Trainer gegeben". Terim hat es mit dieser türkischen Mannschaft wieder geschafft, eine Gruppe zu formen, die für ihren Trainer durch dick und dünn geht. "Es tut uns gut, dass wir einen Mann haben, der weiß, worauf es ankommt", sagt Hamit Altintop, obwohl Terim Hamits Zwillingsbruder Halil kurz vor dem EM aus dem Kader warf. Die Spieler beschwören die Lehrsätze Terims nach jeder Heldentat wie ein Glaubensbekenntnis: "Wir haben keine Angst vor Niederlagen und wir geben niemals auf."
Der Erfolg der Türken bei diesem Turnier hat etwas Rätselhaftes, und die Suche nach Erklärungen für die drei turbulenten Aufholjagden findet keine innere Logik. Nun kommen die Türken im Kriechgang nach Basel zum Halbfinale, neun Spieler sind verletzt oder gesperrt. "Verletzte sind keine Entschuldigung. Wir können bis ins Finale kommen." Auch das hat Terim seinen Spielern eingetrichtert. Und wieder sind sie gegen Deutschland Außenseiter, ein unberechenbarer dazu, das macht die Türken zu einem gefährlichen Gegner. Der Trainer Terim, der auch ein Gambler ist und von sich sagt, er liebe knifflige Situationen, scheint seine Fähigkeit wieder gefunden zu haben, richtige Entscheidungen zu treffen. Die "Türken stehen vor Wien"-Folklore der heimischen Presse hat Terim nicht bedient, er ist auf Versöhnungstour wie der ganze türkische Fußball. Er kokettiert in italienischen Zeitungen mit einem Wechsel nach Italien, die Anerkennung für die Erfolge schmeichelt ihm sichtlich. Der Sohn eines Pistazienverkäufers ist wieder da, wo er sich selbst sieht: auf der gleichen Stufe wie die großen Trainer aus Europa.
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