Der deutsche Zeitungsmarkt: Sparen, entlassen, einstellen
Die Verlage reagieren auf die Wirtschaftskrise - sie sparen Stellen ein, entlassen Mitarbeiter und machen die Zeitungen dünner.
BERLIN taz Die deutschen Zeitungen schrumpfen: Seit Jahren geht die Auflage um jährlich 2 bis 3 Prozent nach unten. Ende 2008 lag die Gesamtauflage aller deutschen Blätter bei nur noch 23,4 Millionen - 1998 waren es noch knapp 30 Millionen Exemplare pro Tag. Auch die Anzeigenerlöse gehen weiter zurück: Für 2009 rechnet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger mit einem Minus von mindestens 10 Prozent. Noch heftiger fällt der Rückgang bei den überregionalen Blättern wie der FAZ aus: Sie sind anders als die Regionalzeitungen besonders stark von den überregionalen Stellenanzeigen abhängig, die in der Konjunkturkrise gerade völlig wegzubrechen drohen.
Anders als viele US-Blätter sind deutsche Zeitungen bisher nicht dramatisch verschuldet und beschäftigen deutlich weniger Personal: So hat die FAZ rund 450 Redakteure im Vergleich zu 1.300 Journalisten bei der New York Times. Dennoch wird in Deutschland dramatisch gespart - und zwar bei den Redaktionen.
Bei der Süddeutschen Zeitung sollen trotz gegen den Trend sogar leicht steigender Auflagen nach Branchenberichten in Verlag und Redaktion 15 Millionen Euro eingespart werden. Redakteure wurden gedrängt, von Abfindungsangeboten Gebrauch zu machen und freiwillig auf ihren Job zu verzichten. Bei der weiter heftige Verluste machenden Frankfurter Rundschau bereitet sich die Redaktion auf eine neue Sparrunde vor.
Bei der WAZ-Gruppe, Deutschlands größter Regionalzeitungskette, werden allein bei den vier Ruhrgebietszeitungen des Konzerns ein Drittel der 900 Stellen gestrichen. Die bisher klar getrennten Redaktionen von WAZ, Neuer Ruhr Zeitung, Westfälischer Rundschau und Westfalenpost verlieren einen großen Teil ihrer Unabhängigkeit: Die Titel sollen in Zukunft ihre überregionalen Seiten von einer neuen Zentralredaktion vom WAZ-Standort Essen aus bekommen. Bei den drei WAZ-Titeln in Thüringen soll demnächst eine ähnliche Sparwelle rollen. Der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern (Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel) macht bereits erste Titel dicht: Ende Februar werden die Billigblätter 20cent Saar (Saarbrücken) und 20cent Lausitz (Cottbus) wegen Einbrüchen im Anzeigenmarkt eingestellt.
Besonders dramatisch ist die Situation bei Wirtschaftstiteln wie der Financial Times Deutschland: Die zur Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr gehörende FTD ist 2009 deutlich dünner geworden und wird nun mit den Redaktionen der im selben Verlag erscheinenden Wirtschaftmagazine Capital, Impulse und Börse Online zusammengelegt, dutzende Stellen in der Redaktionen stehen auf der Streichliste.
Viele große Verlage nutzen die Krise zudem auf ihre Weise - und kaufen zu. Vor einer Woche erst hat die Madsack-Gruppe aus Hannover Springers Regionalzeitungsbeteiligungen von Lübeck bis Leipzig übernommen. Im Januar hatte der Kölner Zeitungskonzern DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Express, Frankfurter Rundschau) die Titel des glücklosen britischen Finanzinvestors David Montgomery (Hamburger Morgenpost, Berliner Zeitung, Berliner Kurier) gekauft.
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