Der Wochenendkrimi : Gönnerinnenhaft
„Tatort: Am Abgrund“, So, 20.15 Uhr, ARD
So viel Sehnsucht, so wenig Liebe: Seit es mit den zaghaften lesbischen Selbsterkundungen der Ermittlerin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) vorbei ist, geht es in ihrem Leben eher trist zu. Die Drehbuchautoren meinen es nicht gut mit ihr. Die Kommissarin arbeitet, joggt und bespricht beim Schlummertrunk mit dem WG-Genossen Kopper (Andreas Hoppe) noch mal die laufenden Untersuchungen. Wirft sie dann doch mal einem Mann einen verliebten Blick zu, muss man davon ausgehen, dass das Objekt der Begierde entweder gewaltvoll aus der Handlung entfernt wird oder gleich selbst der Mörder ist. Letzteres ist hier der Fall: Da wird Odenthal ganz neckisch, als der hübsche Ben (Barnaby Metschurat) in einem Café mit ihr flirtet. Der Playboy mit Bankerausbildung ist der Mann, den sie eigentlich sucht: Er schläft mit reichen Schachteln und dreht ihnen Aktienpakete an; eine der Gönnerinnen ertränkte er nach einem Eklat in der Badewanne.
Für den Plot (Buch: Richard Reitinger, Regie: René Heisig) wird ein bisschen oft der Zufall bemüht, aber die Darsteller retten über manche Schwäche hinweg: Charlotte Schwab jauchzt sich als weitere Millionärin fortgeschrittenen Alters durch die Handlung und träumt als solche von der Weltreise mit dem Gespielen. Anneke Kim Sarnau spielt eine Russlanddeutsche, die unerschütterlich und doch erfolglos ihr Leben und ihre Liebe zum mordenden Gigolo zu meistern versucht. Nur bei Kopper stellt sich in diesem Tatort eine Art Glücksgefühl ein. Im Büro kommt ein Blumenstrauß nach dem anderen an für ihn an – verschickt von Verehrerinnen, die er über Kontaktanzeigen kennen gelernt hat. In Fahrt kommt Autofetischist Kopper allerdings erst, als er während der Untersuchungen mit feuchten Fingern einen Alpha Romeo auseinander schrauben darf. So viel Leidenschaft, so wenig Liebe.
CHRISTIAN BUSS