Der Wochenendkrimi : Mit dem Messer für die Familie
„Tatort: Sternenkinder“,So., 20.15 Uhr, ARD
Unwirklich weiß strahlt die Klinik des Stargynäkologen Professor Sonnenborn. Der Mann erfüllt die Wünsche verzweifelter Paare nach Kindern; es verwundert also nicht, dass dem Pränatalmediziner etwas Göttliches umweht und seine Villa verheißungsvoll leuchtet wie ein Wolkenheim. Kommissar Borowski (Axel Milberg) führt ein besonders bizarrer Fall in diese Manufaktur des Lebens: Eine hochschwangere Frau wurde in ihrem Haus überfallen, wo man ihr das Baby aus dem Leib schnitt, um es danach zu entführen. Die misshandelte Mutter war beim Vorgeburtsspezialisten Sonnenborn in Behandlung, über ihn muss es eine Verbindung zum Täter oder zur Täterin geben.
Der Zuschauer weiß bald ein bisschen mehr als der Ermittler: Liane Marquardt, eine Frau mit blassgrauen Augen, aber brachialem Willen, hat das Baby entführt und gibt es nun als ihres aus. Der Ehemann war fünf Monate auf See, den Nachbarn hatte sie zuvor eine Schwangerschaft vorgespielt. Nun freuen sich alle über das Neugeborene. Die tolle Schauspielerin Claudia Geisler (die man zum Beispiel als gutgläubige und glücklose Matratzenverkaufsassistentin aus „Lichter“ kennt) verkörpert die Möchtegernmutter mit beängstigender Zwangsläufigkeit und geht mit dem Küchenmesser gegen jeden vor, der das blutig erkämpfte Familienglück zu stören wagt. Man kann es ihr irgendwie nicht verdenken.
Eine enorme Grausamkeit funkelt zuweilen in dieser „Tatort“-Episode auf, die man sich besser nicht mit seiner schwangeren Partnerin anschaut. Doch die Gewalt ist stets psychologisch legitimiert: Der finnische Regisseur Hannu Salonen, der zuvor zwei heiter-nihilistische Folgen des Schweriner „Polizeirufs“ gedreht hat, folgt der wilden Entschlossenheit der Täterin und führt in eine Welt der Überreizung und Übersteigerung. Orkun Ertener, der Stammautor des Kieler „Tatorts“, baut ein paar Twists in den Plot, die er geschickt der Logik der hier dargestellten Kinderwunschindustrie abgewinnt.
In der Nebenhandlung wird Borowski dann noch mit zwei Ereignissen konfrontiert, die den Atheisten und Emotionsamateur komplett überfordern: Die halbwüchsige Tochter will unbedingt zum Konfirmationsunterricht, und sein iranischstämmiger Kollege Zainalow (Mehdi Moinzadeh) wird verdächtigt, eine islamistische Terrororganisation finanziell zu unterstützen. Der Fall wird am Ende gelöst, zwischenmenschlich fährt Borowski aber mal wieder alles an die Wand. So ist „Sternenkinder“ ein weitere positive Etappe des immer besser werdenden „Tatort“ aus Kiel: ein Krimidrama über Kinderwunschwahnsinn und Terrorparanoia. CHRISTIAN BUSS