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Archiv-Artikel

Der Wochenendkrimi Ermittlers Reise ins Ich

„Unter Verdacht: Ein neues Leben“, Sa., 20.15 Uhr, ZDF „Tatort: Die Blume des Bösen“, Mo., 20.15, ARD

Bindungsangst, das Grundkapital jedes TV-Ermittlers: Wer niemanden hat, auf den er Rücksicht nehmen muss, kann ganz in der Arbeit aufgehen. Doch die Beziehungslosigkeit wendet sich gelegentlich auch gegen die Polizei.

In „Unter Verdacht“ öffnet sich die interne Ermittlerin Prohacek (Senta Berger) erstmals nach dem Unfalltod des Sohnes einem anderen Menschen. Leise und respektvoll kommt dieser Annäherungsprozess daher – und führt doch direkt in ein spektakuläres Komplott. Denn als die Kriminalrätin spät nachts in die Wohnung jenes Verehrers fährt, den sie auf dem Friedhof neben dem Grab ihres Jungen kennen gelernt hat, findet sie dort nur die Leiche eines jungen Mannes vor. Vom graumelierten Herrn indes fehlt jede Spur, und Prohacek gerät unter Mordverdacht.

Auch die Liebesunfähigkeit von Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) im Kölner „Tatort“ an Neujahr hat fatale Folgen: Denn ein Killer mordet Frauen, mit denen er mal was gehabt hat. Von der einen erinnert der Leichtfuß nicht mal den Nachnamen; die andere hatte er einst nach einer kurzen Affäre in die Wüste geschickt, weil sie anfing vom Kinderkriegen zu reden. So muss der Kommissar tief in die eigene Biografie eintauchen, um die Motivation des Täters zu klären.

Die Konfrontation mit dem eigenen Ich führt in beiden Krimis zu unheilvollen Psychodramen. Wobei es in der „Unter Verdacht“-Episode (Regie: Isabel Kleefeld, Buch: Edward Berger) gelingt, den Trip ins eigene Bewusstsein schlüssig in einen Exkurs zum bajuwarischen Wirtschaftslobbyismus zu wenden. Ein großer Verschwörungskrimi über das Zusammenspiel von CIA, Wirtschaftsministerium und Industrie, psychologisch plausibel bis in die Nebenfiguren.

Das kann man vom Tatort (Buch und Regie: Thomas Stiller) so zwar nicht behaupten – der Plot ist löchrig, ständig ist Meister Zufall im Einsatz. Doch als Psychoschocker um den angeschlagenen Ermittler entwickelt er eine gewisse aufklärerische Wucht. Auf einmal beginnt der Currywurstvernichter und Dauersingle Ballauf sogar über sich selbst zu sprechen: „Ich hatte wohl Angst – vor dieser unheimlichen Sehnsucht der Frauen, geliebt zu werden.“ Das Tolle ist: Man glaubt dem Sozialamateur aufs Wort. CHRISTIAN BUSS