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Archiv-Artikel

Der Weg zum Selbstdarsteller

CASTINGSHOW Naive Begeisterung war gestern – heute ist professionelle Abgehalftertheit: „Fame“, das Remake

1980 kam „Fame – Der Weg zum Ruhm“ in die Kinos, ein semidokumentarischer Film über Jugendliche an der New Yorker School of Performing Arts. Die Protagonisten spielten sich selbst, Irene Cara wurde mit gleich zwei Songs aus dem Soundtrack zu einem kurz und heftig leuchtenden Popsternchen, der Film bekam viel Lob als „handwerklich perfekt“, was er irgendwie auch war – auf eine elliptische, leichtfüßige Art. Was er aber vor allem war: eine im Rückblick naiv wirkende, begeisterte Beschwörung der Möglichkeiten einer klassisch gefassten Künstlerexistenz.

Knapp 30 Jahre später ist eine solche Künstlerexistenz lange nicht mehr so exzeptionell und freakig wie damals; der Künstler ist zum Idealfall des selbstverantwortlichen Menschen geworden, der gelernt hat, seine Subjektivität als höchstes verwertbares Gut in die vorhandenen Kreisläufe der Akkumulation von echtem und symbolischem Kapitel einzuspeisen.

Es ist also genauso plausibel wie redundant, 2009 ein Remake von „Fame“ herzustellen. Jeder weiß ja mittlerweile, wie hart man arbeiten muss, will man Sänger, Tänzer, Schauspieler etc. werden. Und jeder weiß auch, wie es aussieht, wenn trainiert und geprobt, gelitten und gelobt, gescheitert und ausgezeichnet wird.

Hier wirkt der neue „Fame“ wie ein leinwandtauglich aufpoliertes Best-of aller Castingshows der vergangenen Jahre. Aber auch auf allen anderen Ebenen dockt er hochprofessionell an eingeschliffene TV-Sehgewohnheiten an: Nichts, aber auch gar nichts fordert denjenigen heraus, der das „Fame“-Original, Talentshows und Highschool-Soaps konsumiert hat.

Die Kapitelfolge und zentrale Szenen sind eins zu eins von der Vorlage abgekupfert, die Narration ist sinnfälliger, runder geworden (hat also mehr persönliche Dramen, mehr Beziehungsschmu), die Dialoge und Bilder haben in Sachen Abgehalftertheit fast dummdreiste Qualität (etwa Slow-Motion von Tänzerfüßen, die im Gegenlicht Staubkörner auf Bühnenbrettern aufwirbeln). Auch der Soundtrack wurde überarbeitet und bruchlos dem amerikanischen Mainstream angepasst. Will sagen: alles HipHop und R ’n’ B, in einer Fusion, die auch die Herrschaftszeit des Timbaland noch schnell auf den griffigsten Punkt bringt.

Kurz – dieses Remake ist genauso überzuckerte Stangenware wie kulturgeschichtlich irgendwann vielleicht mal interessantes Kondensat der ideologischen Rahmenbedingungen einer Teenager-Sozialisation der Nullerjahre: Es verkauft den disziplinierten Akt, allen Anforderungen gerecht zu werden, als erfolgversprechendsten Weg zu individuellem Selbstausdruck. KIRSTEN RIESSELMANN

■ „Fame“. Regie: Kevin Tancharoen. Mit Asher Book, Kristy Flores u. a. USA 2009, 107 Min.