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ein jahr kosovo-kriegDer Tag: Mittwoch, 12. Mai 1999

DAS GRAUEN IN WORTEN

„Am Morgen griffen die Serben unser Dorf mit Granaten an. Gemeinsam mit tausend anderen Menschen aus Kladernica mussten wir ganz schnell fliehen. Am Mittwoch erreichten wir Prizren und sahen auf der Straße viele Verwundete und Tote, in Fetzen gerissene Körper.

Die Leute am Anfang des Konvois riefen uns zu, nicht weiter zu gehen, da vorne Granaten auf uns geworfen würden. Überall waren Blut, enthauptete Menschen, Körper, manche sogar ohne Arme und Füße. Die Verletzten schrien vor Schmerzen, als sie weggebracht wurden. Es war grauenhaft.

Auf der Straße waren Soldaten und Polizei. Wir wollten kurz anhalten, um uns nur ein wenig auszuruhen, aber sie schossen in die Luft und zwangen uns zum Weitergehen. Ich sah nur noch, wie zwei sieben bis acht Monate alte Babys in aller Eile von ihren Eltern beerdigt wurden.“

Diese 35-jährige Albanerin und Augenzeugin aus dem Ort Kladernica in der südserbischen Provinz Kosovo ist eine von 1.537 Flüchtlingen, die von der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ in dem montenegrinischen Flüchtlingslager Rozaje nach ihren Erlebnissen befragt wurden.

HAR

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