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Archiv-Artikel

Der Seher der Krise

Von UH
Schon 2005 warnte Rajan, dass es zu einer schweren Finanzkrise kommen könnte

Die indische Notenbank bekommt einen neuen Chef. Dies wäre keine Nachricht, wenn der künftige Präsident nicht Raghuram Rajan hieße. Der 50-jährige Tamile gehört zu den berühmtesten Finanzwissenschaftlern der Welt.

Seinen Ruhm hat Rajan letztlich einem Auftritt zu verdanken, der sich 2005 in Jackson Hole, Wyoming zutrug. In dem malerischen Städtchen in den Rocky Mountains treffen sich einmal im Jahr die Chefs der wichtigsten Notenbanken.

Die Zusammenkunft 2005 sollte Alan Greenspan ehren, der seit 1987 die US-Notenbank Fed geleitet hatte und dessen Amtszeit auslief. Denn Greenspan galt damals als erfolgreichster Fed-Chef aller Zeiten, weil er beim Aktiencrash 1987 und bei der Dotcom-Krise 2001 verhindert hatte, dass es zu schweren Rezessionen kam, indem er die Finanzmärkte mit Geld flutete.

Die Stimmung in Jackson Hole war bestens – bis zum Vortrag von Rajan, der damals als Chefsvolkswirt beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitete. Denn Rajan warnte, dass es zu einer schweren Finanzkrise kommen könnte.

Im Rückblick ist es noch immer erstaunlich, wie präzise Rajan die Finanzkrise ab 2007 vorhersah. Unter anderem sprach er die Verbriefungen und die Kreditderivate an, die es den Banken erlaubten, hochriskante Darlehen zu vergeben und die Risiken dennoch zu verschleiern.

Rajan ist übrigens kein Keynesianer, sondern neoliberal. Er ist Professor in Chicago, wo auch der Gründungsvater des Monetarismus, Milton Friedman, lehrte. Umso erstaunter war man in Jackson Hole, dass ausgerechnet Rajan vor einer Finanzkrise warnte.

Damals machte man sich über ihn lustig. So nannte ihn Harvard-Professor Larry Summers einen „Ludditen“, also einen Maschinenstürmer, der die Segnungen der neuen Finanzinstrumente nicht begreifen wolle.

Nur am Rande: Diese Fehleinschätzung hat Summers nicht geschadet. Es könnte sein, dass US-Präsident Obama ihn zum nächsten Fed-Chef ernennt.

Für Rajan dürfte es dagegen in Indien schwierig werden. Die Rupie fällt, die Importe werden teurer, das Wachstum stockt. Es wird spannend, ob ein neoliberaler Bankexperte wie Rajan mit diesen realwirtschaftlichen Problemen umgehen kann. Bisher sieht es nicht danach aus: Seit 2008 ist Rajan bereits Berater des indischen Premiers Singh. UH