■ Die Anderen: Der Schweizer "Tagesspiegel" und die "Berner Zeitung" zum USA-Boykott gegen Schweizer Banken / "Guardian" zur Parade des protestantischen Oranier-Ordens in Nordirland
Der Schweizer „Tagesspiegel“ setzt sich mit dem Boykott zweier US-Staaten gegen schweizerische Banken auseinander: Nicht nur die Banken, auch die Nationalbank und die Schweizer Regierung sollen „mehr“ bezahlen. Ansonsten hätte der World Jewish Congress der Schweizer Regierung nicht wider besseres Wissen vorgeworfen, sie habe die Verhandlungen für eine Globallösung hintertrieben. Die Großbanken hatten von Anfang an betont, sie verhandelten nur für sich. Was haben die Banken, was hat die Schweiz für Konsequenzen aus diesem skandalösen Verhalten zu ziehen? Sollte es Stuart E. Eizenstat nicht in Kürze gelingen, die Boykottandrohungen abzuwenden, bleibt den Banken nur eines: Sie müssen ihr Vergleichsangebot zurückziehen. Auch die Schweizer Regierung darf es nicht bei sanften Protesten belassen, sondern muß in die Offensive gehen. Schließlich haben Bund und Banken nach langen Anlaufschwierigkeiten bewiesen, daß sie jetzt die Holocaust-Überlebenden rasch entschädigen wollen. Was man von der Gegenseite beileibe nicht behaupten kann.
Die „Berner Zeitung“ meint, daß die schweizerischen Banken zu langsam reagiert haben: Der Reigen von Drohungen, Boykottaufrufen und Sammelklagen gegen die Schweiz wird täglich bunter. Das erweckt den Eindruck, daß aus Sicht der jüdischen Organisationen und der Sammelkläger aus den USA unser Land für das gesamte Elend des Zweiten Weltkriegs allein verantwortlich ist. Das ist die eine Seite. Die andere betrifft die Schweizer Großbanken. Sie haben es 50 Jahre lang nicht für nötig gehalten, die Inhaber der nachrichtenlosen Konten oder deren Erben zu identifizieren und anständig zu entschädigen. Auch als die Dampfwalze aus den USA schon anrollte, haben sie den Ernst der Lage sträflich unterschätzt und sich verhalten wie der Elefant im Porzellanladen. Dafür müssen sie jetzt bezahlen, mit Zins und Zinseszinsen.
Der britische „Guardian“ befaßt sich mit dem Streit um die geplante Parade des protestantischen Oranier- Ordens in Drumcree in Nordirland: Der neue Erste Minister von Nordirland, David Trimble, wurde über die konfessionellen Grenzen hinweg gewählt. Könnte er die Unterstützung von 71 Prozent der Nordiren nicht dazu nutzen, um die Wogen zu glätten und einen Pfad der Versöhnung in Drumcree einzuschlagen? Taktisch wäre es vielleicht klug, wenn die Anhänger des Oranier-Ordens die Auflagen einhalten und ihre Parade umleiten würden. Aber früher oder später muß die Bevölkerung von Nordirland akzeptieren, daß beide Seiten das Recht haben, ihrer unterschiedlichen Geschichte ohne Konfrontation zu gedenken. Warum kann damit, mit dieser neuen Toleranz, eigentlich nicht schon an diesem Wochenende begonnen werden?
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