Der Kopf von Campact: Die Zentrale des Widerstandes

Christoph Bautz, graue Haare, Jungsgesicht. Wer ist der Mann hinter dem Kampagnennetzwerk Campact?

Campact habe es geschafft, „die Leute für ihre Kampagnen so abzuholen, wie sie sich einbringen wollen.“ Bild: dpa

Es ist nicht alles glatt gegangen heute. Die eigenen Leute waren spät dran. Aber Christoph Bautz ist trotzdem zufrieden. Sieben Kamerateams sind vor das Umweltministerium in Berlin gekommen, wo Campact tausende Unterschriften für mehr Klimaschutz-Engagement übergeben wollte.

Selbst Hannelore Kraft, die sich als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen den Spitznamen „Kohle-Kraft“ erarbeitet hat, musste auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen mit der Union mit den Campact-Leuten sprechen: wollte sie eigentlich nicht, weil sie die Argumente ohnehin überall lese. Ein Lob, im Grunde.

„Vier Minuten sind es geworden“, sagt Bautz. Vier Minuten plus die Zeilen und Bilder in Medien und Internet, nicht zuletzt auf der eigenen Webpage. Das ist jetzt die Bilanz des Tages. Bautz steht zwei Stunden nach der Aktion immer noch vor dem Umweltministerium am Potsdamer Platz, die Plakate werden eingerollt.

Groß gewachsen, die Hände in den Taschen, während Wind und Regen an der dünnen, roten Campact- Jacke rupfen. Man meint, er müsse frieren. Bautz, der bekannteste Kopf hinter Campact, ist unrasiert wie meist, die kurzen Haare sind wuschelig und obwohl der Kopfwuchs langsam grau wird, bringt Bautz es mit seinen 40 Jahren fertig, immer noch jungenhaft auszusehen. Listige Augen inklusive.

 
Klima oder Edward Snowden

„Hannelore Kraft will sich jetzt immerhin auch für ein Klimaschutzgesetz einsetzen“, freut er sich. Das schwarz-rote Campact-Logo ist Alltag in Berlin: Wenn die Greenpeace-Aktivisten irgendwo die Plakate hoch halten, dann ist auch Campact oft dabei. Campact verspricht „Demokratie in Aktion“ und kann in Windeseile Protest organisieren: egal ob es ums Klima oder um Edward Snowden geht.

Das ist der Markenzeichen des gerade erst zehn Jahre alt gewordenen Kampagnennetzwerkes: „Wir verbinden den Online- mit dem Offline-Protest“, sagt Bautz nach Rückkehr in die Campact-Zentrale in Verden. Die Stimme: ruhig, gelassen. Bautz hat Biologie studiert und später an der Universität im südenglischen Brigthon einen Master in Politikwissenschaften drangehängt.

Seine grauen Strähnen im Haar sind auch der Tribut an das Tempo, das sein Kampagnennetzwerk vorlegt. Und das in der Szene höchste Anerkennung erntet. „Mit Campact haben wir ein Aktionsbündnis neuen Typs bekommen, das sehr schnell und sehr professionell Massen mobilisieren kann“, sagt Jürgen Maier, der als Geschäftsführer des „Forums Umwelt und Entwicklung“ öfter mit Campact zusammengearbeitet hat, insbesondere bei der Kampagne „Wir haben die Agrarindustrie satt“.

Bautz fordert Kretschmann 2011 dazu auf, dem Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz im Bundesrat nicht zuzustimmen. Bild: dpa

Die Schnelligkeit bei seinen Protestaktionen verdankt Campact dem Internet. Das World Wide Web zu nutzen, davon haben sich die Campact-Macher vor ihrer Gründung bei der amerikanischen Online- Plattform MoveOn inspirieren lassen: „Wir sind in die USA gefahren und haben uns bei verschiedenen Organisationen umgeschaut, wie sich Bürgerprotest auf neue Füße stellen lässt.“ Was den Initiatoren gelungen ist.

„Campact hat dank der Internetnutzung der Protestkultur hierzulande neue Impulse verschafft und macht einfach viel Betrieb“, sagt anerkennend Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. Der ruhige Bautz ist mittlerweile das öffentliche Gesicht von Campact. Frühe Belege für diese Entwicklung sucht man in seiner Vita vergeblich.

Jahrelang managte der gebürtige Südhesse ein Streuobstwiesen- Zentrum, das immerhin 80 Hektar Obstwiesen angepachtet hatte. „Für mich war das bis zu einem gewissen Zeitpunkt ein wirklich sinnvolles und richtiges Projekt. Später wollte ich gesellschaftliche Probleme einfach tiefer angehen.“ Ausgangspunkt all dieser Aktivitäten ist für Bautz seit Jahren Verden an der Aller.

Die Kleinstadt gut 30 Kilometer östlich von Bremen ist für die meisten Bundesbürger ein weißer Fleck auf der politischen Landkarte. Aktivisten aus der Umweltbewegung haben auf dem ehemaligen Garnisonsgelände Verdens aber das selbstverwaltete Ökologische Zentrum hochgezogen, und zwar ö-korrekt in Holzrahmenbauweise. Nach einem Umweltkongress 1993 in Magdeburg hatten sich mehrere junge Aktivisten entschlossen, ihre Idee gemeinsam an einem Ort umzusetzen.

Bei der Suche nach einem ländlich angehauchten Standort, der auch Anbindung an eine Großstadt hat, fiel die Wahl auf Verden – knapp 380 Autobahnkilometer von der damals neuen Hauptstadt weg und durch seine Fohlenauktionen sonst höchstens Pferdefreunden bekannt. Da kommt tatsächlich die ganze Welt nach Verden. Das Ökozentrum Verden ist nun so etwas wie die heimliche Hauptstadt einer neuen Protestbewegung.

Protest auch auf der Straße

Attac – das globalisierungskritische Netzwerk; die Antikorruptions- Organisation; die Bewegungsstiftung, die verschiedene Kampagnen und Organisationen finanziell und mit Seminaren zu Fundraising und Pressearbeit unterstützt oder eben Campact.

Das Netzwerk ist weit mehr als eine Plattform, von der per simplem Mausklick massenhaft Protest-Emails an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft verschickt werden. Mit verschiedenen Vereinen, Verbänden und Organisationen plant und organisiert Campact Protestaktionen auf der Straße – „Offline-Aktionen“.

„Campact ist bei vielen ein durchaus gern gesehener Partner, der für einzelne Aktionen mitunter fünfstellige Summen mitbringt“, weiß Jürgen Maier aus eigener Erfahrung. Rund 15.000 feste Förderer hat Campact mittlerweile gewonnen, die helfen, auch den 20-köpfigen Mitarbeiterstab zu bezahlen. Ohnehin ist das Kampagnennetzwerk gut verdrahtet.

Christoph Bautz überreicht 2012 Peter Altmaier vor dem Klimagipfel 110.263 Unterschriften. Bild: dpa

An rund 920.000 Anschriften wird der regelmäßige Newsletter verschickt, ein Adressenfundus, den Campact gezielt für die Aktionen vor Ort nutzt. Diese Adressen aktiviert Campact auch, um zu testen, ob ein Kampagnenthema „fliegt“ oder nicht. „Wir befragen im Vorfeld per Zufallsauswahl rund 5.000 unserer Unterstützer, ob sie das Thema relevant finden und sich dafür engagieren wollen“, erklärt Bautz, in solchen Momenten ein kühler Proteststratege.

Mehr Input von der Basis

Durch den Rost gefallen seien so beispielsweise Aktionen gegen den Banken-Rettungsschirm oder die Quotierung von Aufsichtsräten. „Allemal interessante Themen, die aber nur schwer vermittelbar sind“, sagt Bautz abgeklärt. Flops sind Campact dadurch erspart geblieben. „Die verstehen es, zur richtigen Zeit die richtigen Themen zu platzieren“, sagt die Autorin Kirsten Brodde, die vor gut drei Jahren in einem Buch moderne und originelle Formen des Protests präsentiert hat.

Campact habe es geschafft, „die Leute für ihre Kampagnen so abzuholen, wie sie sich einbringen wollen.“ Das Internet als Mit-mach-Plattform. Das will Campact ausbauen: „Unsere Kampagnen sind noch zu sehr von oben nach unten ausgerichtet“, sagt Christoph Bautz, „Wir wollen mehr Input von der Basis in unsere Aktionen einbauen.“

Keine Abstriche will er bei der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen machen. „Wir brauchen deren Fachwissen und Expertise, damit wir mit den Kampagnen als seriös wahrgenommen werden“, so Bautz. Der Campact-Man wirkt nicht wie jemand, der im Mittelpunkt stehen muss. Ruhig wägt er seine Worte ab. Dass Bautz bei seinen Ausführungen engagiert bei der Sache ist, verraten vor allem die Hände, die wie Windmühlenflügel in Bewegung sind und nur selten ruhig auf dem Tisch liegen.

Auf das Angebot für die weitere Kooperation will Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Ökologie gerne zurückkommen: „Das Angenehme bei Campact ist, dass sie nicht darauf drängen, ihr Logo immer an erster Stelle platzieren zu müssen.“ Für die Zukunft gehen Bautz die Ideen nicht aus: „Vielleicht werden wir eine Art Kaufhaus, in dem man sich Aktionsmaterial von Kostümen bis zu Kohleloren ausleihen kann, um so die Hürden für Protestaktionen noch weiter zu senken.“

Ralf Köpke, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2014.

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