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■ Gegen die Mitglieder des letzten Politbüros der DDR (Krenz, Hager, Schabowski u.a.) wurde Anklage erhobenDer Kern der Staatskriminalität

Das Politbüro der SED stand nach Struktur und Praxis im Widerspruch zur Verfassung der DDR, nach der die Volkskammer das oberste staatliche Machtorgan der DDR sein sollte.

Das Politbüro war, was die Volkskammer nur sein sollte, als Parteiorgan das oberste staatliche Machtorgan, Quelle und Zentrum aller organisierten Zweideutigkeiten im Verhältnis von Partei und Staat.

Unzweideutig aber war seine Stellung im Zentrum der Macht. Darum ist ebenso unzweideutig seine Verantwortung für die Kette von Verfassungswidrigkeiten, die die Geschichte der DDR bestimmt und schließlich ihr Ende herbeigeführt haben:

– die verfassungswidrige Beseitigung der Länder 1952;

– die Einführung des völkerrechts- und grundrechtswidrigen Grenzregimes mit Vertreibungen, Enteignungen, Mauerbau und Todesschüssen;

– die Beseitigung der Meinungsfreiheit und die jahrzehntelange ideologische Entmündigung einer ganzen Bevölkerung;

– die Beseitigung der demokratischen Meinungsbildung mit Scheinwahlen und gefälschten Ergebnissen;

– die Veruntreuung des Volkseigentums und die prinzipielle Verunklärung des Eigentumsrechtes;

die Verteidigung all dieses Unrechts mittels eines die gesamte Bevölkerung als potentiellen Feind behandelnden Spitzel-, Zersetzungs- und Terrorisierungsapparates.

Nur ein Teil dieser Vergehen wird strafrechtlich erfaßbar sein. Die Betroffenen aber sollten wissen: Wenn sie versuchen, diesen Tatbestand weiter dazu auszunutzen, sich als Opfer von Siegerjustiz und der Rache politischer Gegner darzustellen, könnte das nur dazu führen, daß am Ende der DDR-Geschichte eine Gruppe von Opportunisten stünde, die nicht die tragischen Konsequenzen des Scheiterns einer gerechten Sache, sondern die Kläglichkeiten ihrer eigenen Inkompetenz dokumentieren.

Unter den Angeklagten wird einer sein, dem ich am zentralen Runden Tisch öffentlich erklärt habe, ich nähme die gegenüber der DDR-Bevölkerung von ihm ausgesprochene Entschuldigung an, und zwar als Bürger und als Christ. Ich stehe zu meinem Wort und will erläutern, wie ich das meine. Ich habe Egon Krenz damals so verstanden, daß er sagen wollte, ihm tue leid, was Bürgern und Bürgerinnen der DDR von seiner Partei und damit auch von ihm angetan worden war. Ich möchte ihn und seine Mitangeklagten darum jetzt bitten, dieser damaligen Worte eingedenk zu sein und wirklich zu dem zu stehen, was sie zu verantworten haben. Es ist Sache des Gerichtes, das Ausmaß dieser Verantwortung in jedem einzelnen Fall festzustellen. Aber vom Verhalten der Angeklagten wird abhängen, ob die Öffentlichkeit sie als bedauernswerte Opfer widriger Motive oder als Vertreter von Überzeugungen anzuerkennen vermag, die auch von denen respektiert werden können, die sie nie geteilt oder sogar bekämpft haben. Wolfgang Ullmann

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