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Archiv-Artikel

Der Kassenschlager „Pupendo“ schafft es als einziger tschechischer Film aufs Filmfest Hamburg Die Gesellschaft als Spiel, das seine Male hinterlässt

Erfolg kann nur haben, wer sich mit dem System, das ihn umgibt, versöhnt. Seinen Film Pupendo hat Jan Hrebejksin in der Tschechoslowakei der 80er Jahre angesiedelt; einer Zeit, in der die meisten Dissidenten der 68er-Generation sich mit dem Staat arrangiert hatten. Der Bildhauer Bedrich Mára ist einer der wenigen, der sich lieber mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt, als offizielle Aufträge zu übernehmen. Der Preis: Seine Familie ist arm, ohne gesellschaftliche Anerkennung und darf keine Reise ins Ausland antreten. Sein gehörloser Sohn wünscht sich nichts sehnlicher als ans Meer zu fahren; stattdessen fließt nur die Moldau an ihrem Haus in der Prager Vorstadt vorbei.

Alle, auch seine Frau Alena, halten Mára für einen Verlierer. Er raucht, trinkt, schläft tagsüber, angelt, fährt ab und zu mit einem kleinen Motorboot an den Palästen der Innenstadt vorüber, und fertigt Sparschweine: Ärsche mit Ohren, in die man Geld hineinstecken kann. Das Einzige, was er, wie er selbst meint, jemals richtig gut konnte, ist das Kinderspiel „Pupendo“: Überraschend schlägt man jemandem eine Münze auf den Bauch – das tut kurz weh, gibt einen Knall und einen Abdruck auf der Haut.

Wenn einem jemand im Arbeitsleben plötzlich Geld vor den Bauch knallt, ähneln der Schmerz und die Male, die daraus resultieren können, diesem Spiel. Máras Gründe, die herrschende Politik abzulehnen, bleiben vollkommen undurchsichtig – trotzdem wird deutlich, wie unglücklich es ihn macht, staatliche Auftragsarbeiten auszuführen. Statt wählen zu gehen, wie es die Genossen erwarten, melden er und seine Frau sich lieber krank und würfeln am Abendbrottisch. Máras Freund Míla Brecka hat seine Entscheidungen bequemer gefällt: Er ist Schuldirektor, gibt sich aber privat gern systemkritisch und unterschreibt im alkoholisierten Überschwang sogar eine Notiz, dass „der Kommunismus Scheiße und die Bolschewiken Schweine“ sind – um der Nachwelt zu hinterlassen, was er „wirklich“ dachte.

Als die beiden gemeinsam mit ihren Ehefrauen plötzlich von Radio Free Europe als Dissidentengruppe hochgelobt werden, geraten ihre Lebenskonzepte vollends aneinander: Im Streit darüber, wer schuld sei an der Veröffentlichung, werfen sie sich schrecklich ehrlich die Nachteile ihrer jeweiligen Verhaltensweisen an den Kopf. Mit der Reise ans Meer wird es in absehbarer Zeit für beide Familien nichts; sie treffen sich an dem in der Tschechoslowakei beliebtesten Meeres-Substitut, dem ungarischen Balaton-See.

Die durchgängig dichte Atmosphäre des Films verdankt der Film nicht zuletzt der überzeugenden Handkamera von Jan Malir, der auch schon 2000 unter Hrebejk Wir müssen zusammenhalten filmte. Hrebejk arbeitet mit einem festen Schauspieler-Team, deren souveränes Zusammenspiel die Handlung glaubhaft macht. In der ausführlichen Darstellung von Konflikten zeichnet der 36-jährige Erfolgsregisseur seine Charaktere niemals schwarz-weiß. Er zeigt normale, durchschnittliche Leute, halbherzige Gesellschaftsteilnehmer, die nicht ganz einverstanden sind mit dem, was sie tun, aber auch fast nie so überzeugt dagegen, dass sie in dafür ungünstigen Situationen ihre Meinung äußern würden.

Katja Strube

Do, 21 Uhr, Grindel (OmeU)