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Archiv-Artikel

Der Fall Abdul Rahman zeigt, wie der Islam instrumentalisiert wird Mittel der Verketzerung

Der Fall des Abdul Rahman, der in Afghanistan wegen seiner Konversion zum Christentum vor Gericht steht, hat hohe Wellen geschlagen. Doch wieder einmal lässt sich an diesem Beispiel feststellen: Die Frage, ob der „Abfall vom Islam“ mit dem Tode bestraft werden muss, ist vor allem ein Politikum und hat weniger mit den Glaubenssätzen des Islam an sich zu tun.

Die Auffassung, dass der „Abfall vom Glauben“ ein todeswürdiges Verbrechen darstellt, entstammt einem bestimmten historischen Kontext. Eine solche Aussage findet sich auch nicht im Koran selbst, sondern stammt vom Propheten Mohammed. Der Prophet hatte zahlreiche Stämme unter seine Herrschaft gebracht, womit sie automatisch Muslime wurden. Doch einige von ihnen entwickelten – so würde man heute wohl sagen – separatistische Tendenzen. So kam es zu Mohammeds Ausspruch: „Wer seinen Glauben wechselt, den tötet.“ Zwar ging es damals um eine politische Abspaltung. Dennoch bezog sich Mohammed auf die Religion, denn wer sich von der Religion löste, verließ auch die Stammesgemeinschaft.

Weil diese Aussage aber kontextgebunden war – und der Koran selbst sich nur in dem Sinne äußert, dass ein Apostat zwar zu bestrafen sei, dies aber ausschließlich Sache Gottes sei –, wurde die Todesstrafe in der islamischen Geschichte faktisch nur selten angewendet und es kam nur selten zur Verketzerung.

Dass es heute anders ist, ist ein politisches Phänomen: Man erklärt den politischen Gegner zum vom Glauben Abgefallenen. Damit kann man ihn in vielen Gesellschaften, in denen das islamische Recht theoretisch immer noch gilt oder zumindest Grundlage der Rechtsauffassung ist, im politischen Geschehen ausschalten.

Farag Foda, ein ägyptischer Regimekritiker, wurde Anfang der 90er-Jahre auf offener Straße von einem Fanatiker erschossen, weil ihn ein ägyptischer Prediger zum Apostaten erklärt hatte: Damit galt er seinem Mörder als vogelfrei. Ähnlich wird auch im Falle vieler iranischer Regimekritiker mit diesem Mittel der Verketzerung aus politischen Gründen gearbeitet. Mit Religion hat das nur noch am Rande zu tun. KATAJUN AMIRPUR