Der FC St. Pauli hat gut verdient: Alle zahln fürs Millerntor
Der Zweitligist präsentiert eine Rekordbilanz, will sich aber von seinen Anhängern Geld leihen - zur Finanzierung des neuen Stadions.
HAMBURG taz | Chronisch klamm - das war einmal. Mit sichtbarem Stolz präsentierte Stefan Orth, Vereinspräsident des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli am Mittwoch eine Rekordbilanz: 5,33 Millionen Euro Gewinn nach Steuern kann der Verein danach als Ertrag der vergangenen Saison verbuchen - Bilanz des einjährigen Gastspiels im Fußball-Oberhaus.
Da allein die Fernseh-Einnahmen um acht Millionen Euro stiegen - von 5,3 auf 13,2 Millionen - und dank der neuen Haupttribüne auch die Ticketeinnahmen vor allem im VIP-Bereich in die Höhe schnellten, ist der Club, der noch vor wenigen Jahren vor der Insolvenz stand, derzeit auf Rosen gebettet. "Damit gehören wir zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Vereinen im deutschen Profifußball", sagte Orth.
Doch genug ist nicht genug: Orth nutzte die Präsentation der Erfolgsbilanz für die Ankündigung, dass sich der FC St. Pauli nun Millionen von seinen Fans pumpen will. Über eine Fananleihe will der Verein bis Ende Januar zwischen drei und sechs Millionen Euro akquirieren, die in die Finanzierung der fehlenden Bauabschnitte des neuen Millerntor-Stadions und die Modernisierung des Trainingsgeländes an der Kollaustraße fließen soll.
22 Millionen soll das "Investitionspaket" kosten. Fünf Millionen hat der Verein bereits auf der hohen Kante, den Rest gibt - voraussichtlich abgesichert durch eine städtische Bürgschaft - die Deutsche Kreditbank.
Sechs Prozent Zinsen per anno will der Verein den Zeichnern der Anleihe, die ab dem 10 November ausgegeben wird und eine Laufzeit von sechs Jahren und acht Monaten hat, zahlen. Die Anleihe kann für 100 und 500 sowie - wegen des Gründungsjahres - für 1.910 Euro gezeichnet werden.
Dass der Verein nicht auch dieses Geld als Darlehen bei einer Bank aufnimmt, hat drei Gründe: Zum einen tun sich die Kreditinstitute schwer damit, Ausgaben zu finanzieren, die wie der Ausbau des Trainingsgeländes keinen sichtbaren Ertrag abwerfen. Zum Zweiten ist die Anleihe "unbesichert", da der Club außer seinem guten Namen keine Werte als Sicherheit miteinbringt, das Geld verloren ist, sollte der Verein bis 2018 finanziell komplett gegen die Wand fahren.
So müssen die Fans, wie Finanzvorstand Tjark Woydt sagt, "Vertrauen in die ökonomische Entwicklung" des Vereins mitbringen - ein Vertrauen, das sich jede Bank mit einem rund zehn prozentigen Zinssatz für ein unbesichertes Darlehen bezahlen ließe. "Da zahlen wir die Zinsen schon lieber an unsere Fans, als an eine Bank", macht Stefan Orth aus der Not eine Tugend.
Der FC St. Pauli ist der erste Nordclub, der über Fananleihen frisches Geld akquiriert. Zuvor griffen bereits Schalke 04, Hertha BSC Berlin, Hansa Rostock und Arminia Bielefeld mit unterschiedlichem Erfolg in die Brieftaschen ihrer Fans.
Während der Bundesligist aus Gelsenkirchen sich vom vergangen Jahr über elf Millionen Euro zur Umschuldung der Vereinsverbindlichkeiten freuen konnte, musste Hertha-Präsident Werner Gegenbauer in erheblichem Maße Anleihen zeichnen, um den Total-Flop der Emission zu verhindern. In Bielefeld hingegen mussten einige Fans nach Ablauf der Anleihe monatelang auf die Rückzahlung ihres eingelegten Geldes warten, da die Partner-Bank des Clubs sich bei der Abwicklung verhedderte.
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