: Der Dschihad als die einzige Lösung
Für die Hamas ist ein Frieden mit Israel ausgeschlossen. Daran ändert auch ihre Bereitschaft zu einem temporären Waffenstillstand nichts. In Gaza und im Westjordanland wächst die Popularität der islamischen Fundamentalisten stetig
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Ob sie die Gründung aktiv förderten oder nicht: Fest steht, dass die isralischen Militärs zumindest die Augen zudrückten, als sich die Hamas Ende 1987 politisch formierte. Die islamischen Fundamentalisten würden ein Gegengewicht zur PLO im Gaza-Streifen bilden und sie schwächen, so die Hoffnung Israels.
Scheich Achmad Jassin, einer der Gründer und geistiger Mentor der Hamas, schlug tatsächlich einen gemäßigten Weg ein und lehnte die Anwendung von Gewalt zunächst ab. Im August des Folgejahres veröffentlichte die Organisation ihre Charta, die unmissverständlich zur Vernichtung des Judenstaates aufruft.
Drei Jahre später wurde die Iss Ad-Din al-Qassam gegründet, der militärische Arm der Hamas. Israel verhaftete Scheich Jassin und verurteilte ihn zu lebenslanger Haft. Bis 1994, als Selbstmordattentäter die ersten israelischen Busse in die Luft sprengten, blieben die Attentate der Hamas auf den Einsatz von Messern, manchmal Schusswaffen beschränkt. Ende 1992 reagierte die israelische Regierung auf die Entführung und Ermordung zweier Grenzsoldaten mit dem Landesverweis für 400 Hamas-Aktivisten.
Die Hamas (Initialwort für „Islamischer Widerstand“) betrachtet Nationalismus als Teil der religiösen Pflicht und preist den Dschihad („heiliger Krieg“) gegen jeden Feind, der seinen Fuß auf muslimisches Land setzt. Gemeint ist das gesamte palästinensische Gebiet, vom Jordan bis zum Mittelmerr. „Die zionistische Invasion ist boshaft“, heißt es in Artikel 28 der Charta. Von jüdischen Geheimbünden ist dort die Rede, die danach trachteten, Gesellschaften und Werte zu zerstören. Mit Hilfe von „Drogen“ versuchten die Zionisten, Kontrolle zu gewinnen und zu expandieren. „Die arabischen Staaten sind aufgefordert, ihre Grenzen zu öffnen für die Dschihad-Kämpfer, den Söhnen des arabischen und islamischen Volkes“, um mit den „Brüdern in Palästina“ dagegen anzugehen.
Die Charta zitiert keinen geringenen als den Propheten Mohammed, der die Wahrwerdung der himmlischen Verheißung verspricht, allerdings erst, „wenn Muslime die Juden bekämpfen (und töten), wenn sich Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, die ausrufen werden: O Muslim, hinter mir versteckt sich ein Jude, komm und töte ihn.“ Die Tatsache, dass es sich um das Wort Allahs handelt, dass der Prophet lediglich weitergibt, macht eine Abänderung der Charta unmöglich.
Eine friedliche Lösung mit Israel schließen die islamischen Fundamentalisten aus. Alle Initiativen in dieser Richtung stünden im Kontrast zum Glauben der islamischen Widerstandsbewegungen. „Der Verzicht auf Teile Palästinas bedeutet der Verzicht auf Teile der Religion“, heißt es in Artikel 13. „Es gibt keine andere Lösung für Palästina als den Dschihad.“ Alle internationalen Konferenzen und Vorschläge seien Zeitverschwendung. Allerdings erklärte sich die Hamas in der Vergangenheit wiederholt zu einem „temporären Waffenstillstand“ bereit, ohne „den Dschihad“, aufgeben zu wollen.
Seit Beginn der „Al-Aksa-Intifada“ erfreut sich die Hamas zunehmender Popularität, vor allem im Gaza-Streifen. Berichten des Spiegel zufolge, konnte die Organisation schon wenige Monate nach Ausbruch der Unruhen, „80.000 Unterstützer“ zählen, davon „3.000“ zum harten Kern gehörend. Jüngsten Umfragen des unabhängigen „Jerusalemer Medien- und Kommunikationszentrums“ liegt Scheich Achmad Jassin, hinter Palästinenserpräsident Jassir Arafat, an zweiter Stelle auf der Liste der vertrauenswürdigsten Politiker – Gaza-Streifen und Westjordanland zusammengenommen.
Abdelasis Rantisi, Sprecher der Hamas, der am Dienstag nur knapp einem Mordversuch durch das israelische Militär entkam, liegt an vierter Stelle, hinter Fatah-Führer Marwan Barghouti, der sich derzeit vor einem israelischen Gericht verantworten muss.
Die Hamas unterhält, ähnlich wie ihre ideologischen Verbündeten in den Nachbarländern – etwa die Hisbollah im Libanon – Kindergärten, Schulen, Jugendklubs, Alten- und Krankenheime, zahlreiche Moscheen sowie eine Universität. Neben den Büros in Gaza und Vertretungen in Beirut und Teheran, unterhielt die Hamas einen größeren politischen Außenposten in Jordanien, bis 1999 die führenden Aktivisten von König Hussein des Landes verwiesen wurden.
Finanzielle Hilfe erreichte die Hamas in den vergangenen Jahren durch Spenden, sei es durch Sammlungen mittels Tochterorganisationen oder direkten privaten Spenden aus Saudi-Arabien und von Exilpalästinensern. Laut CIA-Informationen schickten der Iran und Kuwait regelmäßig Gelder an die islamischen Fundamentalisten.