„Denkbar ist schlank machendes Bier“

Kurzfristig wird nur der Landwirt etwas vom Gentechnikgesetz in der Landwirtschaft haben, nicht aber der Verbraucher. Trotzdem prophezeit Agrarforscher Ulrich Stachow Genfood bald eine stärkere Akzeptanz – bis zum ersten Skandal

INTERVIEW NICK REIMER

taz: Verbraucherschutzministerin Künast hat die Eckpunkte für das Gentechnik-Gesetz vorgestellt. Wie wird das Gesetz die Landwirtschaft verändern?

Ulrich Stachow: Die grüne Gentechnik vereinfacht den landwirtschaftlichen Anbau. Zum Beispiel ist das Unkrautmanagement bei herbizidresistenten Arten einfacher als bisher. Der Bauer kann so Arbeitszeit und damit Kosten sparen, er kann sogar zu Jahreszeiten spritzen, wo es konventionelle Bauern nicht können. Allerdings birgt das auch Risiken für die Umwelt. Herbizidresitent heißt: Der Landwirt kann Herbizide einsetzen, die wesentlich stärker sind, effektiver Unkraut bekämpfen. Diese Mittel gelangen in die Umwelt, werden dort schneller abgebaut. Unklar ist, ob das die Artenvielfalt gefährdet. Dieses Beispiel zeigt, dass grüne Gentechnik durchaus problematische Nebenfolgen mit sich bringen kann.

Und was hat der Verbraucher davon?

Der ökonomische Vorteil, den ein Landwirt etwa mit gentechnisch verändertem Mais erzielen kann, wird zunächst gering sein. Zwar kann er effektiver arbeiten, aber das Saatgut ist teurer. Ergo hat der Verbraucher zunächst wenig davon. Es wird sich nur ein marginaler Preisvorteil bei Lebensmitteln einstellen.

Umfragen zufolge sind 80 Prozent der Deutschen gegen Genfood. Wird sich das ändern?

Zunächst wird es Normalität werden, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel im Supermarkt angeboten werden. Die Neugier des Verbrauchers wird eine Rolle spielen, möglicherweise wird er seine eigenen Erfahrungen machen wollen. Solange keine Skandale oder gesundheitsrelevanten Erscheinungen nachgewiesen sind, werden die Vorbehalte abnehmen.

Fast in jedem Agrar-Produktionsprozess kommt es zu Skandalen. Warum sollten die ausgerechnet in der grünen Gentechnik ausbleiben?

Sie werden nicht ausbleiben. Die Frage ist nur: Werden die Skandale im richtigen Licht betrachtet? Und: Werden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen? Fakt ist, dass die Branche unter strenger gesundheitlicher Kontrolle steht – und zwar mehr, als es bisher für die normale Lebensmittelwirtschaft üblich ist. Und nach allem, was ich weiß, sind bislang keine Nebenwirkungen nachgewiesen worden – weder für Tier noch für Mensch.

Das allein wird kaum der grünen Gentechnik zum Durchbruch verhelfen. Warum sollte sie für Verbraucher interessant werden?

Ob man es gut findet oder nicht – der ganze Bereich wird derzeit sehr ausführlich erforscht. Die Entwicklung der grünen Gentechnik geht dahin, dass Produkteigenschaften geändert werden. Man kann etwa Lebensmittel schaffen, die mehr Vitamine enthalten oder länger haltbar sind. Denkbar ist zum Beispiel, dass die Kalorien, die ein Bier enthält, nicht mehr vom menschlichen Körper aufgenommen werden. Biertrinken würde nicht mehr dick, sondern schlank machen. Wenn die Qualität von Lebensmitteln verändert wird, dann wird auch ein ganz anderes Verbraucherverhalten zu beobachten sein.