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■ Demonstration für eine BürgerrechtlerinHände weg von Bärbel Bohley?!

Der Beifall kommt von der falschen Seite, der Vorwurf ist populistisch verbrämt, und in der Sache geht die Kritik am Gegenstand vorbei. Parteiübergreifend demonstrierten gestern vor allem ostdeutsche Politiker vor der Berliner Wohnung der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. Eine Erklärung, „Solidarität mit Bärbel Bohley“, war unter anderem von den sächsischen CDU-Ministern Heinz Eggert und Arnold Vaatz, dem Generalsekretär der Brandenburger CDU sowie den SPD-Politikern Stefan Hilsberg und Angelika Barbe unterzeichnet worden. Die „Gefahr einer Tendenzjustiz“ wird darin beschworen, es wird behauptet, daß Richter „die Täter der zweiten deutschen Diktatur schützen und die Gegner des ehemaligen SED- Regimes erneut kriminalisieren“.

Gerade die ehemaligen Opfer des SED-Regimes sollten wissen, wie absurd dieser Vorwurf ist. Es geht schließlich nur darum, ob Bärbel Bohley weiterhin öffentlich behaupten darf, daß der Bonner Frontman der PDS, Gregor Gysi, ein Spitzel der Stasi gewesen ist. Ein Hamburger Gericht hat ihr das bei Androhung einer hohen Strafe untersagt – eine durchaus strittige Entscheidung, deren Fragwürdigkeit durch das jüngste Gutachten der Gauckbehörde für den Bonner Immunitätsausschuß in Sachen Gysi untermauert wird.

Die Unterzeichner der Erklärung gehen mit ihrer hohlen Emphase der Verteidigungsstrategie Gysis auf den Leim. Denn dieser stellt immer nur das Hamburger Urteil in den Vordergrund. Und so wird in der Öffentlichkeit verdrängt, daß in Berlin ein Gericht eine ganz andere Schlußfolgerung gezogen hat und der Bürgerrechtlerin Freya Klier das Recht zuerkannte, den PDS-Mann einen Spitzel zu schimpfen.

Bärbel Bohley hat das Recht, das Hamburger Urteil als ungerecht zu empfinden und dagegen vorzugehen. Es bleibt ihr auch unbenommen, wohl wissend um die Folgen, gegen den Richterspruch zu verstoßen. Sogar die Moral mag sie auf ihrer Seite haben, wenn sie, ihrer Überzeugung (Gysi = Spitzel) folgend, sich weigert, Gerichts- und Anwaltskosten zu zahlen und lieber den anfallenden Betrag im Knast absitzen will. Unangenehm ist aber die Pseudosolidarität, wie sie vor allem die Brandenburger CDU übt. Die Herrschaften beklagen eine Instrumentalisierung der Justiz durch Gregor Gysi, tatsächlich aber instrumentalisieren sie die Bügergerrechtlerin mit dem Ziel, via Bohley den unbequemen PDS-Mann von der Bonner Bühne zu fegen. Selbst schaffen sie es offenbar nicht, und als es vor der eigenen Türe zu kehren galt, da knickte die Potsdamer CDU-Riege schlicht ein. Im Potsdamer Untersuchungsausschuß zu den Stasikontakten Manfred Stolpes outete sich die CDU-Fraktion als Luschentruppe. Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten. Wolfgang Gast

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