Debatte: Der recycelte Mann

Die geplante Reform des Unterhaltsrechts rührt tief an traditionelle Geschlechterrollen. Gerade Frauen werden nun ihre Beziehungen anders gestalten als bisher.

Vielleicht hat die außereheliche Affäre des CSU-Prominenten Horst Seehofer, der demnächst eine Geliebte mit Kind zu versorgen hat, den Anstoß gegeben. Oder es haben ein paar nachdenkliche Ehefrauen genauer nachgerechnet, was nach einer Scheidung für sie übrig bliebe. Jedenfalls ist um die geplante Reform des Unterhaltsrechts für Geschiedene neuer Streit entbrannt. Diese Reform rührt an grundsätzliche Vorstellungen von Gerechtigkeit. Wer über die Reform redet, spricht über das Tauschsystem Langzeitbeziehung. Und da werden die Karten zwischen Männern und Frauen gerade neu gemischt.

Nach dem Entwurf zum neuen Unterhaltsrecht sollen die Unterhaltsansprüche geschiedener Ehefrauen an ihren Exmann in Zukunft nicht mehr Vorrang besitzen. Sie sollen vielmehr mit den Ansprüchen der neuen Lebenspartnerin konkurrieren - ob verheiratet oder nicht -, wenn diese ein Kind betreut. Noch vor den Frauen haben zudem alle minderjährigen Kinder des Mannes, auch die aus der neuen Beziehung, ein Recht auf Unterhalt vom Vater. Das neue Gesetz würde somit die Stellung geschiedener Frauen verschlechtern.

Dazu eine Beispielrechnung aus dem Justizministerium: Nach geltendem Recht muss ein Ehemann mit einem bereinigten Nettoeinkommen von 2.280 Euro seiner arbeitslosen Exfrau und ihren beiden gemeinsamen Kleinkindern monatlich 1.066 Euro überweisen - auch wenn er eine neue Partnerin mit Baby hat. Nach neuem Recht würde die Exfrau mit den beiden Kindern nur noch 791 Euro bekommen, die neue Partnerin mit Kind erhielte 499 Euro.

Das neue Recht greift bei jenem Scheidungsklassiker, der allergrößtes Verletzungspotenzial enthält: Nach einer langen Beziehung verlässt der Mann die Ehefrau wegen einer Jüngeren und gründet mit dieser eine zweite Familie. Die erste Ehefrau bleibt zurück. Sie hat wegen der Kinder auf eine Karriere verzichtet, steht jetzt allein, arbeitslos und verbittert da und muss auch noch mitansehen, wie jeder weitere Zeugungsakt des Mannes ihren Unterhalt - und damit ihren Lebensstandard - schmälert. Explosiver geht es nicht.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, und der treibt wiederum die Männer auf die Barrikaden: Die Frau verlässt den Mann. Nach der Scheidung lässt sie sich noch jahrzehntelang vom Exmann alimentieren, ohne sich dem kalten Wind des Arbeitsmarktes auszusetzen. Der Geschiedene kann sich eine zweite Ehe schlichtweg nicht mehr leisten und steckt in der Unterhaltsfalle fest.

Solche Horrorszenarien von himmelschreiender Ungerechtigkeit werden in privaten Kreisen oft kolportiert. Wie oft sie eintreten, ist statistisch aber nicht festzustellen. Jedenfalls ist der tatsächlich gezahlte Unterhalt des Mannes viel geringer, als es das Klischee von Scheidungen à la Boris Becker vermuten lässt. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2003 verlieren Frauen nach der Scheidung im Durchschnitt ein Drittel ihres Einkommens, die Männer büßen nur mehr als ein Zehntel ein. Diese Werte sind je nach Haushaltsgröße gewichtet. Nur jede zehnte Geschiedene hat überhaupt Anspruch auf Unterhalt - weil der Mann meist zu wenig verdient, um nach dem Eigenbedarf und den Unterhaltszahlungen für die Kinder überhaupt noch Geld übrig zu haben.

Die Wirklichkeit kommt also eher unspektakulär daher. Dennoch dürfte die geplante Reform des Unterhaltsrechts für manche Exfrau bedeuten, auf Hartz-IV-Niveau abzusinken, wenn sie das Einkommen des Mannes mit seiner Zweitfamilie teilen müsste. Das birgt Sprengstoff genug.

Im Verhältnis zwischen Männern und Frauen wird nämlich immer noch mit unterschiedlicher Währung gehandelt - und dabei spielen nicht nur Sex, Geld und Jobchancen, sondern auch Bindungssicherheit und Bindungshoffnungen eine Rolle. Frauen haben beispielsweise oft gar nicht mehr die Möglichkeit, nach einer Scheidung mal eben eine neue Familie zu gründen. Nur etwa die Hälfte der Frauen und Männer heiraten nach einer Scheidung ein zweites Mal.

Bei höher gebildeten Frauen ist eine neue Heirat seltener als bei Männern der gleichen Schicht. Zudem dürften Frauen in ihrer neuen Ehe aus biologischen Gründen seltener Kinder bekommen. Wenn die Boulevardpresse über Scheidungen von Prominenten berichtet, werden hohe Unterhaltszahlungen daher oft als eine Art Entschädigung oder gar Rache der Exfrau verhandelt, die ihre Jahre starker sexueller Attraktivität an den Mann vergeben hat - und jetzt mit geringeren Chancen auf dem Partnerschaftsmarkt dasteht.

Diese unausgesprochenen Tauschsysteme sollte man nicht unterschätzen. Sie werden durch ein neues Unterhaltsrecht berührt, das die "serielle Monogamie" des Mannes erleichtert. Damit verändert sich in der Tat - zumindest auf der symbolischen Ebene - die Bedeutung der Ehe und Langzeitbeziehung.

Wenn das neue Unterhaltsrecht kommt, werden Frauen ihre Langzeitbeziehungen erst recht anders gestalten als bisher. Sie wissen, dass Ehe und Mutterschaft noch weniger als bisher einen jahrzehntelangen Unterhalt garantieren. Die konservative Arbeitsteilung, nach der die Frau zu Hause Windeln wechselt, während der Mann bis spätabends in der Firma an seiner Karriere bastelt, erscheint endgültig als Auslaufmodell. Besonders jene Männer gewinnen an Attraktivität, die es den Frauen ermöglichen, neben der Mutterschaft noch ihren eigenen Beruf auszuüben oder sogar Karriere zu machen. Und das ist gut so.

Schnellösliche Instant-Ehen ohne Langzeitperspektive haben aber auch ihre Nachteile: Es wird ungemütlicher. Mehr erwerbstätige Frauen erhöhen auch für die Männer den Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt. Zugleich müssen sich Männer zu Hause mehr um die Kinder kümmern, denn die Gattin im Büro verfolgt ihre Karriere - auch um im Falle einer Scheidung nicht als Depp dazustehen.

Dabei geht es im Kampf um Chancengleichheit gar nicht nur um eine Verteilungsfrage zwischen Männern und Frauen. Wie Väterinitiativen schon festgestellt haben, sparen geschiedene Männer durch das neue Recht kein Geld: Es wird nur anders zwischen ihren Erst- und Zweitfrauen verteilt. SPD-Justizministerin Brigitte Zypries hat denn auch erklärt, mit dem neuen Gesetzentwurf lediglich den real existierenden Beziehungsverhältnissen gerecht zu werden. Durch die hohen Scheidungsquoten werden Männer, zynisch gesprochen, öfters recycelt. Es geht daher darum, auch den "gebrauchten" Mann noch ökonomisch attraktiv zu halten.

Ob das neue Unterhaltsrecht tatsächlich kommt, ist derzeit zweifelhaft. Aber der Wertewandel ist wohl nicht aufzuhalten. Er findet auf zwei Ebenen statt. Einerseits gewinnen großfamiliäre und ersatzfamiliäre Bindungen an Bedeutung, wenn die Zweierpartnerschaft so brüchig erscheint. Gleichzeitig könnte sich die Langzeitehe - die ohne Demütigungen auskommt - in einer alternden Gesellschaft wieder zum romantischen Modell mausern. Warum auch nicht?

BARBARA DRIBBUSCH

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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