Debatte: Frauen im Jammertal
■ Mir reicht's: Ein Traktat gegen die Bescheidenheit des Frauen-Protestes
Zunächst einmal: Entschuldigung, daß mich das jahrzehntelange Ertragen der strukturellen patriarchalen Unterdrückung nicht müde gemacht hat, daß ich weder unter dem Joch der Ehe litt noch unter Schmerzen gebar. Tut mir auch leid, daß ich mit dem Frauenstreik da was falsch verstanden habe und Lust darauf hatte. Millionen (wenigstens hunderttausende) Frauen lassen Laptop und Kochlöffel fallen, drücken Papi die Bälger in den Arm, hängen das Schild „Die emotionale Tankstelle hat heute geschlossen“ an die Bürotür und gehen auf die Straße – fordern, lachen, lärmen, wüten, schweigen gemeinsam und demonstrieren ihre Stärke, verhängen das Rathaus mit lila Bettüchern, blockieren Hand in Hand den Männerwahn Autobahn, lassen die Konsumtempel verwaisen und die Räder stillstehen... Hach, das hätte mir gefallen. Wie gesagt, ich habe da was falsch verstanden.
„Wir können ja nicht zum Streik aufrufen“, gibt eine Frauenreferentin des Bremer Gewerkschaftsbundes aus dem Streikkomittee (?) zu bedenken, „das Wort –Streik– ist ja ein arbeitsrechtlich belegter Begriff!“ Herrje, möchte frau angesichts solcher Spitzfindigkeit ausrufen. Dunkel werden Erinnerungen an die Kapriolen des DGB um den gestürzten Slogan „Frau geht vor“ wach. Lassen wir den DGB halt DGB sein – wenn, ja wenn der große Erfolg des Schweizer Frauenstreiks nicht zuletzt der Mobilmachung der Gewerkschaften zu verdanken gewesen wäre. Doch die deutschen verweigern sich. Besonders perfide wirkt da das Argument, die Frauen hätten Angst vor einem Streik – schließlich seien sie das schwächste Glied in der Kette und von Entlassungen am ehesten bedroht. Sie werden also aus dem Grund nicht streiken, der sie eigentlich zum Streik bewegen sollte. Zu Tarifauseinandersetzungen darf die Sache der Frauen nicht führen, also Geld nicht kosten – wo es offiziell keinen Streik gibt, muß auch keine Streikkasse her.
Schön brav bleiben lautet daher das Motto, eine Betriebsversammlung mit Frauenaussprache hier, ein verlängertes Frauenfrühstück da, alles höchst legal und schön unspektakulär. Bleibt zu diesem Jammertal noch zu sagen: Die Bremer Nicht-Gewerkschafterinnen haben sich auf diese aberwitzige Namensgebungs-Diskussion eingelassen. Das Ergebnis: Der Bremer Frauenstreiktag wurde in „Frauenstreik, –streit, – protesttag“ umbenannt (versuchen Sie mal, das laut auszusprechen!). Zum Streik aufgerufen wird also nicht. Wozu dann?
„Uns reicht's!“ sollen wir Frauen heute in die Welt hinausbrüllen, vornehmlich in die Welt der Kantinen und Frauentreffpunkte. Das dezentrale Protestfrühstücken wird zur Aktionsform des Tages. Welche maulig nach Größerem fragt, wird auf die praktischerweise in der Mittagspause liegende Kundgebung „Jetzt schlägt's 13“ verwiesen. Eine Organisatorin: „Wir sind froh, wenn wir den Marktplatz einigermaßen voll kriegen.“ Zur Erinnerung: 53 Prozent der Bevölkerung sind zum Streik, äh, zum Streikstreitprotest aufgerufen... Und nichts gegen Frauenfrühstücke: Es sei „unheimlich wichtig“, daß die Frauen zusammenkommen könnten „und anfangen, über ihre Situation zu reden.“ Einmal den Marktplatz füllen! Anfangen zu reden!! Vergleichen Sie jetzt bloß nicht die Forderungen zu den Internationalen Frauentagen der letzten 60 Jahre mit denen des Jahres 1994: Niemand wird Ihnen die Geschichte mit der Zeitmaschine abnehmen.
Preisfrage: Kann der 8. März Resignation und Frustration der letzten Jahre wie lästige Fliegen verscheuchen und der Frauenbewegung neue Power geben, wenn er unter solchen Voraussetzungen angegangen wird? Wenn die eine Hälfte der Frauen Sätze von sich gibt wie „Die Emanzipation der Frau ist schon weit genug“, während andere darüber diskutieren, daß nicht alle Aktionen öffentlich bekannt gegeben werden sollen – „damit den Frauen nichts vorgeschrieben wird“?
Laut hat es von den Feministinnen noch keine gesagt, aber heimlich, still und leise scheint auch hier die Prämisse zu gelten: „Ich habe das gar nicht nötig“. Der jammernde Unterton der Streikaufrufe, dieses unter Feministinnen längst umstrittene „Wir wollen endlich auch alles, was die Jungs dürfen und haben“, schreckt sicherlich nicht wenige ab. Doch das Gejammer der „einen“ steht dem Gejammer der „anderen“ in nichts nach. Die autonomen Frauenprojekte scheinen so mit Sterben beschäftigt zu sein, daß von ihnen, nicht nur zum 8. März, kaum mehr als Schweigen zu vernehmen ist. Andere wiederum, die noch leben und in ihrem Programm –Schluß mit dem Bonsai-Bewußtsein– fordern, präsentieren sich allen Ernstes so: „Wir wissen nicht, warum wir eigentlich noch Programm machen, während andere Projekte sterben...“
Und der Wahnsinn hat Methode. Der Unmut der Frauen darüber, daß sie nach langen Jahren des Engagements immer noch oder schon wieder für dasselbe kämpfen sollen, wird in Trommelkursen bekämpft; der Rückzug ins Private liegt im Trend der Zeit. Das ist der Kontext, in dem dieser Frauen-Nichtstreik stattfindet.
Und auch das gehört zu diesem Kontext: Unheilschwanger sehe ich den Vorwurf des Verrats über mir dräuen. Merke: Wenn frau Kritik an Frauen übt, zudem öffentlich, ist sie unsolidarisch. Es gilt das erste Gebot: diskriminierte Minderheiten, und in den Medien sind Frauen das, müssen immer politisch korrekt, also positiv abgebildet werden. Ein Totschlagargument, mit dem eine feministische Journalistin gleich den Computer einpacken kann. Doch meiner Erfahrung nach hat das Verhalten einer guten (Hof)Berichterstatterin für Frauen so auszusehen: Die sieben Repräsentantinnen haben sich auf der Pressekonferenz ihre widersprüchlichen Meinungen um die Ohren gehauen? Stelle ihre kraftvolle, gemeinsame Forderung dar. Die Frauenszene bringt es wieder mal nicht fertig, Statements zu aktuellen Geschehnissen abzugeben – weil nie eine für alle sprechen kann, und das nächste Plenum ist erst übernächste Woche? Übe Dich in Geduld. Und: Mache Dich nie über Feministinnen am finanziellen Abgrund lustig. Schweige wie sie über das, was ihnen/uns jemals anzukreiden wäre. Oder lieber doch nicht?
Susanne Kaiser
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