Debatte Zuschussrente: Dilemma der Generationen
Der aktuelle Streit über die Aufstockung von Minirenten zeigt: Die Rentenfinanzierung vor allem mit den Beiträgen der jungen ArbeitnehmerInnen ist am Ende.
D ie Tabelle ist eindrucksvoll und an diesen Zahlen kann niemand mehr vorbei. Eine junge ArbeitnehmerIn, die 35 Jahre lang für monatlich 2.500 Euro brutto ackert und im Jahr 2030 in den Ruhestand geht, bekommt daraus eine Rente, die nicht höher liegt als die Sozialhilfe, die sogenannte Grundsicherung im Alter. Die drohende Altersarmut erreicht damit die untere Mittelschicht, denn 2.500 Euro brutto oder weniger, so viel verdienen AltenpflegerInnen, VerkäuferInnen, BäckerInnen und ArzthelferInnen.
Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Tabelle mit den Hochrechnungen an Mitglieder der Jungen Union geschickt, um für ihr Konzept einer „Zuschussrente“, also einer Rentenaufstockung für Geringverdiener, zu werben. Diese sei nötig, um die „Legitimität“ des Rentensystems auch für die „junge Generation“ zu erhalten.
Doch die Jungen in der Union spielen nicht mit. Sie lehnen jede Rentenaufstockung ab, weil dies, so das Argument, die Beitragszahler von heute und morgen überproportional belaste. Die konservativen Jungpolitiker geraten dabei allerdings in ein Generationendilemma.
ist Inlandsredakteurin der taz.
Denn selbstverständlich würden auch die Jungen später von einer Aufstockung der Minirenten profitieren. Gerade die Jungen sind es ja, die unter den Kürzungen der Renten, die die bisherige Gesetzeslage vorsieht, besonders leiden und in die Altersarmut rutschen werden. Im Jahre 2030 sinkt das Rentenniveau auf 43 Prozent, die Beitragshöhe könnte aber auf 22 Prozent klettern – so viel Ungerechtigkeit ist schon fest eingeplant.
Diese Kürzungen sind allerdings eine Folge demografischer Rechnungen. Die heute Jungen stehen im Alter erst recht einer schrumpfenden Zahl von erwerbstätigen Beitragszahlern gegenüber. Laut dem Demografiebericht der Bundesregierung werden im Jahre 2060 ganze 34 Prozent der BürgerInnen älter als 65 Jahre sein.
Sich verschärfender Generationenkonflikt
Jede Rente und jede mögliche Zuschussrente einer heute 40-jährigen Altenpflegerin wird später mal von Berufstätigen mitbezahlt, die heute noch in den Windeln liegen. Eine Aufstockung der Kleinrenten allein aus Beitragsmitteln würde den Generationenkonflikt nur verschärfen, weil die Letzten, nämlich die allerjüngsten Beitragszahler, immer die Dummen wären. Das kann nicht gutgehen.
Die aktuelle Debatte hat daher einen Vorteil: Sie bringt die Wahrheit zutage, dass das Umlagesystem zwischen den Generationen, die Finanzierung der Rentner durch die Beiträge der jüngeren Arbeitnehmer, am Ende ist. Ganz deutlich wird das beim Herumgeeiere der Sozialdemokraten, von denen jetzt einige die Rentenkürzungen wieder rückgängig machen wollen, weil ihnen auffällt, dass die Hauptklientel der Sozialdemokraten, nämlich Facharbeiter und DienstleisterInnen, davon besonders betroffen sind. Nur leider wurden die Kürzungen unter einem SPD-Kanzler höchstselbst verabschiedet, mit Verweis auf die Demografie.
Der politische Druck steigt, bei den Renten etwas umzubauen. Langfristig müssen mehr Steuermittel zum Schutz vor Altersarmut eingesetzt werden. Konzepte für steuerlich finanzierte Rentenleistungen gibt es im europäischen Ausland genug, so die steuerfinanzierte Aufstockung von Kleinrenten, wie es sie in Schweden gibt und wie sie auch die Grünen vorschlagen. Von einer solchen Aufstockung müssten mehr Leute profitieren als bei dem Konzept von der Leyens, das eine relativ lückenlose Erwerbsbiografie erfordert.
Die Steuermittel sollten nicht vordringlich aus den Steuern auf Arbeitseinkünfte kommen, denn auch dies würde vor allem die jüngeren Berufstätigen belasten.
Die Absicherung gegen Altersarmut könnte vielmehr die Debatte über höhere Besitzsteuern befeuern. Viele Alte sind vermögend – und die sollten (neben den Jungen) für ihre ärmeren Altersgenossen mitzahlen. Damit würde der Rentenstreit gerechter: Denn der Hauptkonflikt verläuft nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag