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Debatte Ost-West-MännerDu machst Angst

Kommentar von Anke Domscheit-Berg

Gemischte Paare gelten weithin als wichtiges Indiz für Integration. Mein Weg zum Westmann hat etwas länger gedauert. Aber die Zeit arbeitet für mich.

N ach der Trennung von meinem Studienfreund, ein Jahr nach der Wiedervereinigung, hatte ich nie wieder eine Beziehung mit einem Mann mit DDR-Vergangenheit. Absicht war das nicht, eher Schicksal. Ein brotloser Studienabschluss als Textilkünstlerin und das sinnlose Angebot des Arbeitsamts, mich zur Agrartechnikerin umzuschulen, trieben mich Anfang 1991 in den Westen. Eine Freundin meiner Mutter bot mir ein zweites Zuhause.

Arbeit war schnell gefunden und Gelegenheit machte Liebe. Um mich herum waren nur Westmänner, also traf es einen von ihnen. Als echten Westmann habe ich diesen jedoch gar nicht wahrgenommen, immerhin war seine Mutter in der DDR aufgewachsen und erst in den 50er Jahren nach Westdeutschland gelangt. In meinen Augen handelte es sich bei ihm bestenfalls um einen Wossi.

Dein Schaden ist kleiner

Aber irgendwann entdeckte ich sie, die Unterschiede der Herkunft. Er wünschte sich fünf Kinder und ich sollte zuhause bleiben, bis das jüngste Kind sechs Jahr alt sei.

ANKE DOMSCHEIT-BURG

ist Managerin in einem Software-Konzern, lebt in Berlin und wuchs in einem märkischen Dorf, nahe der polnischen Grenze, auf. Unter anderem engagiert sie sich für mehr Frauen in Führungsetagen.

Ich hätte heute gern meinen Gesichtsausdruck von damals dabei gesehen, er hatte bestimmt großen Unterhaltungswert. Aber an Kinder dachte ich noch nicht so konkret und diese Vorstellung war so absurd, dass sie sich nicht mal als Streitgrundlage eignete. Wir stritten uns ohnehin fast nie, aber wenn, dann ging es fast immer um die DDR.

Für ihn war die DDR der reinste Stalinismus, jede Erwähnung positiver Elemente ließ ihn vermuten, ich würde das Rad der Geschichte gern zurückdrehen. Ein Grund für echte Krisen war das nie, unsere Beziehung scheiterte nicht an der Sozialisation.

Meine nächste Eroberung aus dem Westen wurde tatsächlich Vater meines Kindes. Ich hatte inzwischen mitbekommen, dass in Westdeutschland die Vorstellung sehr verbreitet war, dass Mütter nach der Geburt erst einmal ein paar Jahre zuhause bleiben.

Die Einstellung eines Mannes spielte daher für mich durchaus eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl. Aber dieser erschien vielversprechend untypisch - großgezogen von einer überwiegend alleinerziehenden, stets arbeitenden Mutter.

Dummerweise merkte ich erst nach der Geburt, dass es einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt zwischen großzügiger Toleranz gegenüber der Erwerbsneigung einer Mutter und einer aktiven Unterstützung durch gleichberechtigte Teilung von Familienarbeit.

Als ich vorschlug, den Erziehungsurlaub halbe-halbe zu nehmen, argumentierte er kühl, dass ich zwar sicherlich einen Karriereschaden erleiden würde, wenn ich länger ausstiege, aber seiner wäre natürlich viel größer und deshalb käme das nicht in Frage. Ich saß eindeutig und frustriert am kürzeren Hebel, wenn er jeden Montag in den Flieger stieg und für eine Woche auf Dienstreise verschwand - jahrelang.

Ich will Selbstbewusstsein

Meine berufliche Entwicklung kam tatsächlich ins Stocken, Teilzeit ist nicht gerade ein Karrieresprungbrett und eingeschränkte Mobilität auch nicht. Mein noch in der DDR erworbenes Selbstverständnis kollidierte mit der Tradition in Westdeutschland - nicht nur mit der Sozialisierung meines Lebenspartners, sondern auch mit der meiner männlichen Chefs.

Von Dankbarkeit, überhaupt noch arbeiten zu dürfen, war die Rede und von den schweren seelischen Schäden, die Kinder im Kindergarten erleiden und von noch viel mehr. Meine Emanzipation dauerte eine Weile, beschleunigt wurde sie durch den Umzug zurück nach Ostberlin, in eine Gegend, die keine Rabenmütter kennt.

Nach dieser Trennung wünschte ich mir einen Ostmann, einen Mann, vor dem man sich nicht rechtfertigen muss, wenn man Karriereambitionen hat, und dessen Ego keinen Knacks erleidet, wenn man beruflich erfolgreich ist.

Mein ostdeutscher Traummann sollte "Gleichberechtigung" nicht nur aussprechen können, ohne zwinkern zu müssen, sondern auch danach leben. Er sollte das Kunststück fertigbringen, sowohl männlich, mutig und stark zu sein als auch sensibel, aufmerksam und von hoher emotionaler Kompetenz.

Natürlich sollte er auch ein wunderbarer Gesprächspartner sein, humorvoll und sozial engagiert. Ich wollte einen Mann auf Augenhöhe, der mich nicht nur liebt, sondern auch respektiert und dessen Selbstbewusstsein von ganz allein groß genug war, ohne ein Gefälle nach unten zu erfordern, wie man es so oft bei Paaren sieht.

Männer heiraten gern Frauen, die jünger, weniger gebildet, beruflich weniger weit gekommen sind und die auch in der Regel weniger verdienen. Das Resultat meiner Suche nach dem "perfekten Mann" waren mehrere Jahre Erfahrung als Alleinerziehende und eine weitere gescheiterte Beziehung.

Mein bester Freund, ein schwuler Kellner, wusste genau, warum: "Du machst den Männern einfach Angst, du bist viel zu stark und zu erfolgreich für einen normalen Mann, so eine wollen die nicht." Ich hatte keinen Zweifel daran, dass wenn, dann nur ein Ostmann mit mir klarkäme.

Jeder Wessi musste mich für eine durchgeknallte Radikalfeministin halten, für eine Rabenmutter, die überzogene Ansprüche hat, für eine Frau, die einfach nicht weiß, wo ihr wahrer Platz ist.

Wessi, aber jung

Diesen höchst unwahrscheinlichen Traummann habe ich nicht nur gefunden, sondern auch geheiratet, das Schicksal hat ihn mir in einem Berliner Imbiss in den Weg gestellt. Nur meine Vorurteile musste ich danach revidieren.

Der Liebste kommt aus einer westdeutschen Kleinstadt. Irgendwann fiel mir auch wieder ein, wie mein letzter Freund aus der DDR nach der Wende mit mir nach Chile reiste, wohin wir auswandern wollten und wie heftig wir uns dort stritten, weil er meinte, eine Waschmaschine würden wir die ersten Jahre nicht anschaffen, ich könnte seine schmutzige Arbeitskleidung auch mit der Hand waschen und mit seinen Reisesocken könnte ich schon mal anfangen.

Vielleicht liegen Unterschiede ja doch weniger am Geburtsort als an der individuellen Persönlichkeit oder an der Generation. Mein Mann ist zehn Jahre jünger als ich. Er meint, seine Kumpels wären alle so wie er. Hausfrauen stehen bei ihnen nicht besonders hoch im Kurs. Heute will Mann auf seine Frau stolz sein und ihr auf Augenhöhe begegnen.

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6 Kommentare

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  • L
    linsenspaeller

    Ja, endlich mal was Persönliches, wo man richtig Moral aus der Geschichte ziehen kann.

  • A
    anke

    Glückwunsch! Sie haben es also geschafft! Ihr Mann ist nicht nur jung, modern und angstfrei, er ist auch aus dem Westen. Was will die erfolgreiche Ostfrau mehr? Mein Job, mein Mann, mein Doppelname. Dass in Ihrer Beziehung niemand Angst zu haben braucht, glaube ich Ihnen aufs Wort. Wer in ein und derselben Welt zu Hause ist, der erlebt keine Überraschungen. Auch keine bösen. Nein, es war nicht die Mauer. Noch nie. Es war immer die Angst vor dem Unbekannten. Im Westen gab es sie schon vor ‘89. Seit es im Osten wieder Klassen gibt, gibt es sie auch da. Die Grenze ist tot, es lebe die Grenze!

  • RW
    Rüdiger Wurscht

    "Männer heiraten gern Frauen, die jünger, weniger gebildet, beruflich weniger weit gekommen sind und die auch in der Regel weniger verdienen."

    Das ist eine Sicht der Dinge... Ich würde eher sagen:

    Frauen heiraten gern Männer, die älter, gebildeter, beruflich weiter gekommen sind und die auch in der Regel mehr verdienen.

  • A
    Anita

    Ich hab 'nen Ex-Ossi geheiratet.

    Gleichberechtigung ist etwas, worueber man nicht mit ihm reden braucht. Das ist so, als braeuchte man ein Wort fuer Sauerstoff, den man atmen kann. Fuer ihn ist es jenseits aller Vorstellung, dass eine Frau nicht die gleichen Rechte und Pflichten hat wie ein Mann.

  • U
    UnbeschreiblichWeiblich

    "Er sollte das Kunststück fertigbringen, sowohl männlich, mutig und stark zu sein als auch sensibel, aufmerksam und von hoher emotionaler Kompetenz."

     

    das kommt dabei raus, wenn kleine mädchen gute-nacht-geschichten für bare münze nehmen - und da steht sie sich dann plötzlich selbst im weg und merkt nicht, dass sie so gar nicht feministisch sehnt und fühlt.

     

    ich wollte ihnen gerade vorschlagen sich einen zu schnitzen, zu backen oder zu stricken - aber sie haben ihn ja doch noch gefunden, ihren märchenprinzen. junge männer sind ja auch noch recht biegsam.

     

    p.s.

    das märchen von der ostdeutschen "radikalfeministin" glaube ich übrigens auch nicht. dazu gehört: für rechte kämpfen. gabs drüben doch gar nicht...

  • J
    Juliane

    das erste Mal, dass ich bei der taz auf eine so geistreiche Betrachtung über Ost/West stoße. Und so schön geschrieben, echt! Danke!