Debatte Klimaschutz: Dschungel statt Öl?
Entwicklungsminister Dirk Niebel lehnt Fonds für unterlassene Umweltzerstörung entschieden ab - auch im Fall Yasuní in Ecquador. Hier sagt er, warum.
E s klingt verlockend: Die Weltgemeinschaft zahlt solidarisch in einen Fonds ein, aus dem Schutzmaßnahmen für den Regenwald in Yasuní finanziert werden.
Im Gegenzug verzichtet die ecuadorianische Regierung auf die Genehmigung von Ölförderung in der Region. Ein pädagogischer Ansatz, fand María Espinoza, die ecuadorianische Ministerin für Kultur- und Naturerbe, am 13. 9. in der taz.
Sie sagte, die "Dschungel statt Öl"-Initiative gehe "weit über die Frage der Überweisung von Geld hinaus". Ein tolles Projekt, finden deshalb viele. Und vielleicht eine tolle Schlagzeile, finden manche Politiker. Ein tolles Projekt also?
ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (FDP). Am 24.9. antwortet der ehemalige Ölminister von Ecquador, Alberto Acosta, in der taz auf diesen Beitrag.
In der letzten Woche habe ich mit Brasilien eines der Länder mit der weltweit größten Biodiversität besucht. Ich war beeindruckt vom weltweit ersten Finanzierungsmechanismus für ein nationales REDD-Regime. REDD steht für Reducing Emissions from Deforestation und Forest Degradation.
Brasilien setzt diesen Ansatz durch den "Amazonienfonds für Wald- und Klimaschutz" um, den Fundo Amazônia. Brasilien will die Entwaldung in Amazonien bis zum Jahr 2020 um 80 Prozent reduzieren. Das erfordert den Einsatz beträchtlicher Mittel, die zum Teil über den Fonds eingeworben werden sollen, einen Finanzierungsmechanismus, der erstmalig die Entwaldung Amazoniens mit der internationalen Klimadebatte verknüpft.
Aktuell findet eine intensive und engagierte Diskussion über die Möglichkeiten statt, innovative Wege im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität zu finden. Diese Diskussion ist wichtig, denn letztlich wird darum gerungen, wie globale öffentliche Güter wirkungsvoll geschützt werden können.
Erhalt von Biodiversität, Umwelt- und Klimaschutz haben für die deutsche Entwicklungspolitik einen hohen Stellenwert. Allein in Lateinamerika setzen wir dafür jährlich rund 120 Millionen Euro ein. In unserer Zusammenarbeit haben wir viele Erfahrungen gewonnen. Eine wichtige ist: Nicht alles, was gut gemeint ist, funktioniert auch gut.
Auch in Ecuador unterstützen wir den Schutz von Biodiversität, Klima und der indigenen Bevölkerung. Dieses Engagement habe ich wiederholt bekräftigt, denn wir haben ein gemeinsames Interesse am Erhalt des Tropenwalds.
Er ist für das weltweite Klima unabdingbar, deshalb berührt sein Schicksal auch Deutschland ganz direkt. Das heißt: Die umweltpolitischen Ziele der ecuadorianischen Regierung teile ich ausdrücklich. Und doch halte ich den Yasuní-Fonds für das falsche Instrument.
Falsche Bemessungsgrundlage
Szenenwechsel nach Brasilien. Die Höhe der Mittel, die jedes Jahr aus dem Amazonienfonds für Entwaldungsbekämpfung gezogen werden dürfen, bemisst sich an der Entwaldungsrate. Geht sie im Vergleich zu einem Referenzwert zurück, werden Gelder in den Fonds eingezahlt.
Nimmt die Entwaldung zu, gibt es keine Einzahlung. Die Höhe der Gelder, die eingeworben werden, berechnet sich also aus der reduzierten Entwaldungsrate im Amazonasregenwald. Die Überprüfung der erreichten Wirkungen wird über eine satellitengestützte Entwaldungsstatistik sichergestellt.
Der Mechanismus belohnt Handeln, und er bemisst sich an konkreten Wirkungen. Ein pädagogischer Ansatz, um die Worte von María Espinoza zu verwenden. In Yasuní sieht das anders aus.
Im Gegensatz zum Amazonienfonds bemisst sich bei Yasuní-ITT die Höhe der Beiträge nach den entgangenen Öleinnahmen und eben nicht nach den reduzierten CO2-Emissionen auf Grundlage vermiedener Entwaldung. Das setzt keine politischen Anreize. Belohnt wird das Unterlassen der Ölförderung, nicht etwa aktiver Waldschutz oder der Schutz der indigenen Bevölkerung. Ein pädagogischer Ansatz?
Hinzu kommt: Details des REDD-Ansatzes werden zurzeit auf internationaler Ebene noch diskutiert. Mit der Struktur des Yasuní-Fonds würden wir hinter das augenblickliche Niveau der Diskussion zurückfallen, gerade was soziale und ökologische Mindeststandards, die Beteiligung zivilgesellschaftlicher und indigener Gruppen und die nötigen Wirkungsmessungen betrifft.
Wir würden stattdessen einen zusätzlichen Mechanismus schaffen. Das widerspräche klar der internationalen Wirksamkeitsagenda von Paris, Accra und Busan, zumal auch trotz intensiver Werbebemühungen bislang keine breite internationale Unterstützung anderer Geber für den Fonds erkennbar ist.
Keine Negativbelohnung
Wer von pädagogischen Projekten spricht, der muss sich der Konsequenzen seines Handelns bewusst sein: Ein großer Teil der Ressourcenvorkommen lagern in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Deshalb schaffe ich ganz bewusst keinen Präzedenzfall, der in immer neue Forderungen mündet, finanzielle Mittel zum Unterlassen von Umweltschädigungen bereitzustellen - genauso, wie ich nicht einen Fonds als Belohnung dafür einrichte, dass vor Somalia keine Schiffe mit Lebensmitteln mehr von Piraten überfallen werden.
Mein Ziel als Entwicklungsminister muss sein, unsere Partnerländer dabei zu unterstützen, dass ihr Rohstoffreichtum zum Segen, nicht zum Fluch für ihr Land wird. Das können wir am besten, indem wir ihnen passgenaue Unterstützungsangebote machen, zum Beispiel REDD im Umweltbereich.
Mir ist bewusst: Wer auf Schwächen des Yasuní-Projektansatzes hinweist, dem wird schnell unterstellt, mehr an Rohstoffen als am Waldschutz interessiert zu sein. Schlechte Presse nehme ich aber dafür in Kauf, denn es geht mir um eine grundsätzliche methodische Frage: Die unterlassene Ölförderung allein reicht eben nicht zum Waldschutz, und Kompensationszahlungen sind ein wenig Erfolg versprechender Ansatz im Klimaschutz.
Was verlockend klingt, ist nicht unbedingt der richtige Weg. Ich teile die Ziele der ecuadorianischen Regierung, aber ich teile ausdrücklich nicht das angestrebte Instrument. Für Ecuador kommt es jetzt entscheidend darauf an, das internationale Momentum für mehr Klima- und Waldschutz zu nutzen.
Wir haben der ecuadorianischen Regierung deshalb vorgeschlagen, den Rahmen des bestehenden REDD-Engagements in Ecuador auf die Region Yasuní auszudehnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos