Debatte CDU: Eine historische Leistung
Die erfolgreichste Volkspartei der Bundesrepublik verliert an Bindekraft. Trotzdem wird in absehbarer Zeit keine Partei rechts von der CDU entstehen.
D er Islam als Teil Deutschlands, Atomausstieg und grüne Energiewende, Mindestlohn, Ende der Wehrpflicht, Frauenförderung, Gemeinschaftsschule, Börsensteuer, mehr Europa - wenn Angela Merkel die Opposition ständig links einholt, da müsste rechts von der Union doch was zu holen sein?! Doch es wird auch 2013 kaum eine aussichtsreiche Partei rechts von der Union antreten.
Auf den ersten Blick verwundert das. Über Jahrzehnte hinweg galt die Christdemokratie als Bollwerk und Milieu konservativer Tradition, sie verteidigte das Patriarchat, das Militär, das Kapital, die Nation und das christliche Abendland. Sie war für Autorität und Disziplin und stemmte sich gegen den Verfall der Sitten und Werte.
Außer einem sozialen Gewissen und der Wirtschaftsnähe bot die Union immer auch dem Nationalismus eine Heimat und dem Christentum eine zivile Adresse. Von rechts außen ging, anders als für die rechte Mitte in fast allen anderen EU-Ländern, tatsächlich keine Bedrohung aus.
Weder die NPD in den 1960er und 2000er Jahren noch die "Republikaner" in den 1980er Jahren und die Pro-Deutschland-Gruppierungen heute, noch irgendeine Anti-EU-Formation schafften es in den Bundestag.
Auch christliche Fundis und konservative Naturschützer haben an den durchaus vorhandenen Sollbruchstellen keine dauerhafte Abspaltung bewirkt und die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der Union im Bund nicht brechen können, während die SPD an Grüne und Linke verlor.
leitet das Kulturwissenschaftliche Institut Essen und befasst sich seit Langem mit Konservativen. 1987 schrieb er "Der Geist steht rechts. Ein Ausflug in die Denkfabriken der Wende", 1997 "America first? Der Fall einer konservativen Revolution".
Der Grund liegt in der famosen Integrationsfähigkeit der Union, die Herz-Jesu-Sozialisten wie Hans Katzer, Norbert Blüm und Heiner Geißler mit Law-&-Order-Verfechtern wie Alfred Dregger und Wirtschaftsleuten wie Lothar Späth und Friedhelm Merz gesprächsfähig hielt.
Verkörpert wurde dieses fast kirchenartige Amalgam programmatischer Gegensätze durch Vaterfiguren wie Konrad Adenauer und Machttechniker wie Helmut Kohl. Ob Angela Merkel so gut zwischen von der Leyen, Seehofer und der Mittelstandslobby in der Fraktion lavieren kann, ist jetzt die Frage.
Bisher blieb die Union, zusätzlich dank ihres ausgeprägten Regionen- und Konfessionsproporzes, die erfolgreichste Volkspartei-Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie konnte sich zwei ältere Strömungen einverleiben: das Zentrum, entstanden aus der Paria-Rolle der Katholiken im Deutschen Reich, und die antidemokratische Rechte, diskreditiert in ihrem Pakt mit Hitler.
Aus beiden wurden Milieus und Kader importiert, integriert und letztlich in der "großen Volkspartei der Mitte" neutralisiert. Nolens volens trug die Union dazu bei, dass das historische Tabu gegen eine "Neue Rechte" Bestand hatte.
CDU hat immer dazugelernt
Führung, Mitglieder und Anhänger haben dann auch diverse Modernisierungsschübe der Bundesrepublik verinnerlicht und verarbeitet - den Nachkriegssozialismus als soziale Marktwirtschaft, die geopolitische Mittellage als dominante Ökonomie, die ökologische Welle als "Bewahrung der Schöpfung", den Pazifismus als Kultur der außenpolitischen Zurückhaltung.
Sie haben sogar den Feminismus einer Alice Schwarzer moderat mit Rita Süssmuth und antagonistisch Kristina Schröder absorbiert - und womöglich reagiert die Kanzlerin auf den Antikapitalismus von Attac-Mitglied Heiner Geißler mit der Börsensteuer.
Das Konservative an der CDU bestand nie darin, sich Lernprozessen zu verweigern; es genügte ihrer Basis, wenn die Partei das Reformtempo drosselte und unvermeidlichen Wandel in Grenzen hielt.
Interessen statt Ideen
Jenseits unverbindlicher Generalprinzipien wurde die Union nie durch Ideen, sondern durch Interessen zusammengehalten. Und die Unionsführung durch das gemeinsame Streben nach Machterhalt, weshalb sie auch Zugpferde wie Ludwig Erhard über die Klinge springen ließ, als die Kanzlerschaft auf dem Spiel stand. Das würde sie im Zweifel auch mit Angela Merkel tun.
Man sollte dieses Erfolgsmodell auf Grund von übertriebenen Ressentiments und berechtigten Einwänden gegen CDU-Politik nicht unterschätzen. Aus linker Sicht ist Union gleich konservativ und konservativ gleich reaktionär.
Doch heißt Konservativsein bewahren, nicht: sich gegen soziale Modernisierung stemmen und auch nicht, die Märkte zu feiern, Atommeiler in die Landschaft zu stellen, Frauen an den Herd zu verbannen und dergleichen. Genau dafür ist die Union oft genug eingestanden, ihre Betonfraktion kämpft in diesem Sinne weiter. Aber das ist weder der christdemokratische "Markenkern" noch konservatives Gedankengut.
Jetzt brodelt es am Rand
Echte Konservative (wie zum Beispiel der Philosoph Robert Spaemann) waren, anders als CDU-Bosse und -Basis, gegen die Kernenergie und für den arbeitsfreien Sonntag. Als Bewahrerin wäre Angela Merkel gegen riskante Biotechnologien, opponierte sie gegen die neoliberale Entmachtung des Staates und träte sie stärker für den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt ein.
Die Union ist nicht konservativ, denn sie hat sich den vermeintlichen Sachzwängen der kapitalistischen Globalisierung unterworfen. Aber sie ist auch nicht neokonservativ geworden wie die Republikaner in den USA, die ihre Marktblödigkeit und Reichenverschonung mit einer seltsamen Freiheitsrhetorik (gegen Klimaschutz, gegen den Islam, gegen die Vereinten Nationen) verbrämen.
Wenn sich rechts von der Union eine neue Strömung etablieren könnte, dann eine rechtspopulistische Partei auf den Ruinen der FDP, die an einschlägige Bild-Kampagnen und den grassierenden Sarrazinismus anschließen kann. Aber auch dafür dürfte die Altherrenriege der Euroskeptiker aus den Talkshows (Henkel, Hankel und Co) zu schwach sein.
Beruhigen kann das die Unionsführung nicht. Auch wenn sie von deutschen Mussolinis, Le Pens und Wilders verschont bleibt, bröselt es in der CDU, drohen Wahlen und Regierungsfähigkeit verloren zu gehen. Und die Krumen verbinden sich außerhalb der Parteien zu einem Gemisch aus Nichtwählern, Wutbürgern und Internetmob, das vom puren Ressentiment lebt. Wohin das führen kann, sehen wir gerade in Thüringen.
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