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Debatte BahnprivatisierungMit Emotionen befrachtet

Kommentar von Markus Wacket

Der Kompromiss zur Bahn-Privatisierung ist für Steuerzahler und Bahnfahrer der beste, der bisher diskutiert wurde. Gefahr droht nur in der Personalie von Bahnchef Mehdorn.

Was Parteien und Regierung jetzt geschnürt haben, das ist ein bunt zusammengewürfeltes Paket, das für jeden etwas bieten soll: SPD-Chef Kurt Beck soll es vor der völligen Demontage retten. Als Mini-Privatisierung soll es den Linken nicht weh tun, aber auch unter Beweis stellen, dass die Koalition noch handlungsfähig ist - und das bei dem wohl schwierigsten wirtschaftspolitischen Poker der vergangenen Jahre.

Die Privatisierung der Bahn ist wie wenig andere Projekte mit Emotionen befrachtet: verständlicherweise, denn die Deutschen fahren rund 2 Milliarden Mal im Jahr mit der Bahn. Millionen von Berufspendlern sind auf sie angewiesen. Sind wir nun alle Verlierer einer Lösung, die aus der Not und dem Zeitdruck geboren wurde, bis zur nächsten Wahl noch eine Passage des Koalitionsvertrages umzusetzen?

Das steht keineswegs fest. Um es vorweg zu sagen: Das Modell kann für Steuerzahler und Bahnfahrer besser sein als alle, die zuvor diskutiert wurden - vor allem besser als jenes, das Bahnchef Hartmut Mehdorn mit an Fanatismus grenzendem Elan über Jahre verfochten hat und das von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in leicht veränderter Form im vergangenen Jahr durchgeboxt werden sollte. Es kann auch besser sein als der Status quo. Denn welchen Grund gibt es, einen weltweiten Logistikkonzern in der Hand des Staates zu halten, der - wie bei den öffentlichen Banken - im Fall der Pleite haften müsste?

Erfolgreich verhindert worden ist der Versuch, das Schienennetz, die Bahnhöfe und die Stromversorgung mit an die Börse zu nehmen oder dem Einfluss der Investoren auszusetzen. Das war Mehdorns Ziel, denn damit hätte er auch Staatshilfen von 45 Milliarden Euro für die nächsten 18 Jahre mitgenommen.

Investoren aber hätten den Druck auf unprofitable Strecken und auf solche, auf denen die Konkurrenz fährt, erhöht. Mit dem 130-Milliarden-Vermögen des Netzes und dem Staat im Rücken hätte Mehdorn die DB weiter günstig verschulden können - für neue Container-Terminals in Asien oder Luftfracht-Töchter in den USA. Die Gebühren für die Nutzung der Schienen hätte er weiter hochtreiben können, um sich Wettbewerber vom Hals zu halten. Was seine eigenen Züge zahlen mussten, wäre nur von der rechten in die linke Konzerntasche geflossen. Mehr Verkehr auf der Schiene? Das ist nicht sein Job. Die Quasi-Monopol-Bahn zu Hause bliebe ein Garant für einen stetigen Strom von Steuergeld. Es wäre ein bequemes Sofa auf dem Kapitalmarkt für Mehdorn gewesen.

Das wird es nicht geben. Stattdessen bleibt das Herz der Eisenbahn, das 34.000-Kilometer-Netz, der Strom und die Bahnhöfe, unter Kontrolle des Staates. Hier wird über die Verkehrspolitik entschieden, hier wird festgelegt, wie viele Züge zu welchem Preis auf unseren Gleisen unterwegs sind. Wer das Netz hat, hat die Macht. Der bestimmt mit, wo neue Strecken gebaut und welche saniert werden. Hier sitzt man im entscheidenden Stellwerk, um etwa mit niedrigeren Trassengebühren mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen und so das Klima zu schonen. So wie der Staat der Bahn über die Lkw-Maut helfen kann. Wer die Güterzüge und Fernzüge der DB kontrolliert, ist da zweitrangig. Noch weniger gilt das für die Regionalzüge. Denn die fahren schon jetzt nur da, wo die Bundesländer sie mit Steuergeld bestellt haben.

Garantiert das Holding-Modell also, dass der Staat wieder das Sagen hat in der Bahnpolitik? Gibt es einen klaren Schnitt zwischen dem, was wir mit Steuergeld erreichen wollen, also der so genannten Daseinsvorsorge, und dem, was die Privaten in harter Konkurrenz für uns erledigen sollen? Leider nein: Das zeigt sich in erster Linie am Bahnchef selbst. Mehdorn soll künftig nicht nur Chef der privatisierten Verkehrsgesellschaft sein, also von Logistik sowie Nah- und Fernverkehr. Er soll zugleich darüber als Vorstandsvorsitzender der staatlichen DB AG thronen und damit weiter Einfluss auf Netz und Bahnhöfe haben, heißt es in Kreisen der Regierung. Er wird also alles dafür tun, dass das Netz vor allem seinen privatisierten Zügen dient, nicht denen der ohnehin noch schwachen Konkurrenz.

Die Gefahr ist noch da: Die öffentlich finanzierten Schienenwege könnten ausgelutscht werden, um den privaten Investoren der DB-Verkehrsgesellschaften zu Diensten zu sein. Ein Problem, das auch im Verkehrsministerium erkannt wurde. "Interessenkollisionen" wären dann unvermeidbar, warnt ein Papier. Allerdings ist offiziell noch nirgends festgelegt, dass Mehdorn dieses Doppelmandat tatsächlich bekommen soll - übrigens wie die ganze "Holding"-Konstruktion, die weder Parlament noch Öffentlichkeit erläutert wurde.

Wie so oft in der Geschichte der Bahn-Privatisierung wird versucht, schnell vollendete Tatsachen zu schaffen. Unklar bleibt so die genaue Trennlinie zwischen privatisierter Gesellschaft und dem staatlich dominierten Teil. Es steht zu befürchten, dass die wenig profitablen Teile zum Staat verschoben werden. Ausgemacht scheint schon zu sein, dass die DB-Job-Gesellschaften, die die überzähligen Arbeitskräfte auffangen, dort geparkt werden sollen. Im Kleingedruckten steckt also noch viel Sprengstoff.

Besonders die Union muss jetzt genau hinsehen, für eine deutliche Trennung zwischen Netz und Betrieb sorgen und Mehdorns Doppelmandat verhindern. Mit Rücksicht auf die zerstrittenen Sozialdemokraten hat sie in der Debatte lange stillgehalten. Und damit zugelassen, dass von mehr Wettbewerb unter den Bahnen kaum einer redet. Dabei sollte dies doch der Schlüssel für mehr Verkehr auf der Schiene sein.

Überhaupt ist es eines der großen Mysterien in der Privatisierungsdebatte und ein Erfolg der DB - die sich ja auch als "Die Bahn" bezeichnet -, dass jeder bei der Eisenbahn nur an rot-weiße Züge denkt. Während beim Thema Strom und Gas sogar eine Enteignung von Netzen offen gefordert wird, damit mehr Wettbewerber auf dem Markt die Preise drücken, scheint das für die Bahn nicht zu gelten: 14 Jahre nach der Bahnreform ist sie immer noch Fast-Monopolist und profitiert wie kein anderes Unternehmen von Netz und Steuergeld.

Dabei liegt hier die Chance dieser Bahn-Privatisierung: Endlich könnte es auf der Schiene bunter werden, die DB ihre Konkurrenten nicht mehr auf ihren Schienen gängeln. Oder die Bundesländer mit der Elektrifizierung einer Strecke oder einem renovierten Bahnhof locken, um den lukrativen Auftrag für den Nahverkehr zu ergattern. Nur dank dessen satten, aus Steuern gespeisten Gewinnen kann die DB überhaupt an die Börse denken.

Die Chance für mehr Konkurrenz und mehr Verkehr auf der Schiene könnte sogar steigen, wenn Investoren mehr als die Hälfte der Anteile halten. Dann wäre der Schnitt zwischen Privat und Staat klar. "Lasst uns von der Kette!", hatte Mehdorn einst den Politikern gefordert und für die Privatisierung getrommelt. Ja - aber ohne Netz, doppelten Boden und Doppelmandate.

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1 Kommentar

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  • HF
    Helmut Fuchs

    Sehr guter Kommentar!

     

    Allerdings fehlt mir noch etwas: Der Hinweis darauf, dass die Rahmenbedingungen für privatisierten Bahnverkehr einfach nicht stimmen.

     

    Es gibt z.B. keinerlei Verpflichtung für private Betreiber wechselseitig Fahrscheine anzuerkennen. Auch die Ausstellung von Fahrscheinen für eine Verbindung, die mehrere private Anbieter in Anspruch nimmt, ist nicht geregelt.

     

    Damit also eine Privatisierung des Bahnverkehrs nicht im kundenfeindlichen Tarifflickenteppich endet muss der Gesetzgeber erst mal aktiv werden. Der hat das Problem, aber noch gar nicht im Kopf.

     

    In der Schweiz gibt es etliche private und kommunale Bahnbetreiber. Diese konkurrieren nicht, sie kooperieren. Und Dinge wie das Halbtaxabo (entspricht unserer BahnCard 50) oder das Generalabonnement gelten fast überall. Das Generalabonnement sogar bis in die Stadtverkehre.

     

    Und das ist nur eine von vielen Detailfragen. So wie die Privatisierung hier in Deutschland angelegt ist, wird sie sehr wahrscheinlich dem Kunden nur neue Probleme bringen. Und Korrekturen an dem Zustand, den man nun herbeiführen will, werden den Steuerzahler wieder viel Geld kosten.