Debatte: Atomkonsens – Lücken mit Tücken : Die Bilanz des Atomausstiegs: zu dürftig
Jetzt holen Bundesumweltminister Trittin die politischen Altlasten ein und die Grünen sind gefordert
Die Atompolitik erlebt eine Renaissance. Nicht nur dass CDU/CSU und FDP die Atomkraftnutzung wieder auf die Agenda bringen, auch die Namen Hanau, Gronau und Ahaus tauchen nun wieder in den Schlagzeilen auf. Die Lücken im Atomkonsens zeigen ihre Tücken. Gleich drei Atomthemen stehen unerwartet im Fokus der Öffentlichkeit. Atomexport, Atomforschung und die Anlagen des atomaren Brennstoffkreislaufs wurden bei den mühevollen und langwierigen Verhandlungen der rot-grünen Bundesregierung mit der Atomindustrie im Juni 2000, auf Betreiben von SPD und Atomwirtschaft, ausgeklammert. Der jetzt von Kanzler Schröder angestrebte Verkauf der Hanauer Plutoniumanlage nach China, der geplante Atomtransport des Atommülls der ehemaligen DDR- Forschungsanlage Rossendorf (Sachsen) nach Ahaus und die Erweiterung der Gronau Urananreicherungsanlage von 1.800 auf 4.500 Tonnen Jahreskapazität lassen die atomare Widerstandsbewegung nun erneut wachsen. Zwar wurden durch das Atomausstiegsgesetz die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf im Durchschnitt 32 Jahre begrenzt, die Wiederaufarbeitung beendet und die Zahl der Atomtransporte stark verringert, doch neben den Umweltverbänden und den Bürgerinitiativen fand der Konsens auch in der grünen Partei schon damals nicht nur Befürworter, sondern auch viele KritikerInnen.
Neben der langen Restlaufzeit der Atomkraftwerke standen dabei ausgeklammerte Themen in der Kritik. Die bisherige Bilanz des Atomausstiegs ist dürftig. Lediglich das kleinste und älteste Atomkraftwerk in Stade wurde abgeschaltet. Jetzt holen Bundesumweltminister Trittin die politischen Altlasten ein und die Grünen sind gefordert.
Kanzler Schröder will mit aller Macht den Export nach China durchsetzen. Eine Allianz der Grünen mit der Umweltbewegung und Teilen der SPD versucht dies zu verhindern. Weiterer Widerstand ist angesagt. Das CDU-regierte Sachsen will vor allem aus Kostengründen, und gegen alle Sicherheitsaspekte, den Atomtransport von 18 Castoren über die Straße nach Ahaus durchdrücken. Eine Lagerung des Atommülls in Ahaus würde Sachsen sechs Millionen Euro Kosten, im Gegensatz zu rund 50 bis 80 Millionen Euro für eine Zwischenlagerung in Rossendorf. Dass dabei rund 100 Millionen Euro Kosten für den gefährlichen Straßentransport durch die vermutlichen Transitbundesländer Thüringen, Hessen und NRW anfallen würden, interessiert die sächsische CDU nicht. Sie will den Atommüll nach NRW verschieben, da sie die Kosten für die Entsorgung ihres Forschungsreaktors, im Gegensatz zum Forschungsreaktor in Karlsruhe (Baden-Württemberg) und Jülich (NRW), wo der Bund 90 Prozent der Kosten trägt, allein finanzieren muss. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen sowie Finanzminister Eichel sind gefordert, damit der Bund sich anteilig an den Kosten beteiligt, und die Sachsen müssen endlich mit einem Antrag zur Zwischenlagerung einlenken, um den Transport zu verhindern.
Um den Ausbau der Gronauer Urananreicherungsanlage zu verhindern, steht neben Umweltminister Trittin besonders die SPD in der Verantwortung. NRW- Energieminister Horstmann muss sich an dem beim Atomtransport gezeigten Einsatz ein Beispiel nehmen und endlich Widerstand gegen die Gronau Ausbaupläne deutlich machen. Ansonsten bleibt der vermeintliche Widerstand gegen den Atomtransport unglaubwürdig und ein taktisches SPD-Manöver. Die NRW-Grünen haben sich hier, ebenso wie gegen den Rossendorf-Transport, eindeutig gegen den Ausbau und für eine Stilllegung positioniert. Einsprüche im rechtlichen Erweiterungsverfahren dokumentieren dies. Weitere öffentliche Aktivitäten und Widerstand bleiben aber Pflicht, will man die Atompläne erfolgreich verhindern. RÜDIGER SAGEL