Debatte Arabische Revolutionen und Iran: Poker am Persischen Golf
Die Haltung des Iran zu den arabischen Revolten ist ambivalent. Das Regime hofft aber darauf, seinen Einfluss in der Region auszubauen.
D ie Aufstände in den arabischen Staaten haben Iran in eine Zwickmühle gebracht. Hatten die Proteste in Tunesien und Ägypten in Teheran anfänglich noch Jubel ausgelöst und die "Islamische Republik" dazu verlasst, von einem "Erwachen des Islam" in der arabischen Welt zu sprechen, bremsten die Unruhen in Jemen und Bahrain die Euphorie merklich ab, seit dem Ausbruch der Proteste in Syrien ist die Freude völlig verflogen. Hier sei eine Verschwörung der USA und Israels am Werk, heißt es nun in den offiziellen Verlautbarungen des Iran.
Schon der anfängliche Jubel über den Fall der säkularen arabischen Despoten Ben Ali und Mubarak war von Misstönen begleitet. Die Solidarität mit den Massen in Ägypten und Tunesien, die sich gegen Diktatur, Korruption und Misswirtschaft erhoben hatten, wollte nicht so recht passen zu der gewaltsamen Niederschlagung der Opposition im eigenen Land, die 2009 aus denselben Gründen über Monate auf Irans Straßen gegangen war.
Furcht vor der Kettenreaktion
wurde 1936 in Teheran geboren. Heute lebt der Autor und Journalist in Berlin.
Aus Furcht, die Kettenreaktion der Aufstände in der arabischen Welt könnte auch den Iran erreichen und die "grüne" Protestbewegung von Neuem entflammen, wurden Nachrichten und Bilder stark zensiert, ausländische Fernseh- und Rundfunkprogramme in persischer Sprache gestört und Internetverbindungen nach außen so weit wie möglich unterbunden. Über die Ereignisse in Syrien herrscht nun eine nahezu vollständige Nachrichtensperre. Die Berichterstattung der staatlichen Medien folgt der offiziellen Linie, dass sich die Proteste in der arabischen Welt lediglich gegen den imperialistischen Westen und seine lokalen Lakaien richten und einen "islamischen Staat" zum Ziel haben.
Zugleich wittert das Regime in Teheran auch eine Chance, seinen Einfluss insbesondere in den Staaten am Persischen Golf auszuweiten und der angestrebten Rolle einer regionalen Großmacht näher zu kommen. In einer internen Studie des iranischen Parlaments heißt es, die Volkserhebungen im Nahen Ostens und Nordafrika, vor allem aber in Staaten wie Bahrain, seien wie ein "Damoklesschwert", könnten also als Bedrohung, aber auch als Chance betrachtet werden. Zwar sei der Westen gemeinsam mit Saudi-Arabien dabei, eine Front gegen Iran aufzubauen. Durch kluges Handeln könnten derlei Versuche aber zu Gunsten Irans gewendet werden.
Aus der Sicht Teherans lassen sich die arabischen Staaten nicht über einen Kamm scheren. Staaten wie Bahrain, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden, haben einen anderen Stellenwert als fern liegende Staaten wie Libyen. An engen Beziehungen zu Ägypten ist Iran schon lange interessiert, trotz Mubarak und des Friedensvertrags mit Israel. Das verlangt die Rivalität zu Saudi-Arabien, das ebenfalls eine Führungsrolle in der islamischen Welt für sich beansprucht. Doch Kairo ging, vermutlich nicht zuletzt auf Wunsch der USA, auch nach Mubaraks Sturz nicht auf das Werben aus Teheran ein. Iranische Medien meldeten kürzlich die Wiederaufnahme der seit dreißig Jahren abgebrochenen diplomatischen Beziehungen, doch ein Dementi aus Kairo machte die Hoffnungen erst einmal zunichte.
Noch schwieriger sind Irans Beziehungen zu den Staaten am Persischen Golf. Zu Kuwait liegen die diplomatischen Beziehungen derzeit auf Eis: Das Emirat hat kürzlich zwei Iraner unter dem Vorwurf der Spionage zum Tode verurteilt und drei Diplomaten ausgewiesen, im Gegenzug wies Teheran mehrere kuwaitische Diplomaten aus.
Alte Rivalität mit Saudi-Arabien
Feindliche Stimmung herrscht traditionell auch zwischen Saudi-Arabien und dem Iran - noch mehr aber, seit die Saudis den Herrschern in Bahrain bei der Niederschlagung der Aufständischen zur Hilfe geeilt sind. Dagegen hat Iran scharf protestiert.
Die Situation in Bahrain ist besonders sensibel, weil dessen Bewohner zu 70 Prozent Schiiten sind, das Land aber von Sunniten regiert wird. Iran hat über Jahrzehnte Bahrain als eigenes Territorium beansprucht und erst in den Siebzigerjahren als selbständigen Staat anerkannt. Doch unter Irans Konservativen gibt es immer noch Strömungen, die nach wie vor Besitzansprüche stellen. Die Araber befürchten, dass Iran die benachteiligten Schiiten in Bahrain und anderen arabischen Staaten benutzt, um mehr Einfluss zu nehmen. Deshalb hat der Golfkooperationsrat bereits zweimal innerhalb der letzen Wochen gegen iranische Einmischung protestiert.
Syrien spielt die Schlüsselrolle
Ganz anders gestaltet sich das Verhältnis Irans zu Syrien und dem Irak. Zwischen Teheran und Damaskus besteht praktisch ein Freundschaftspakt, der für beide Seiten von großer Bedeutung ist - für Syrien in erster Linie wirtschaftlich, für den Iran politisch. Teheran braucht Damaskus als Brückenkopf, um über die Hisbollah im Libanon und über die Hamas in Palästina Einfluss zu nehmen. Ohne enge Verbindung zu Syrien wäre die herausragende Rolle, die Iran als mächtiger Staat im Nahen Osten auch im Israel-Palästina-Konflikt spielt, nicht möglich. Gerade deshalb wird Teheran alles versuchen, um einen Regimewechsel in Syrien zu verhindern.
Die USA behaupten nachweisen zu können, dass der Iran dem Regime in Damaskus bei der Niederschlagung der Aufständischen Hilfe leistet. Jedenfalls wäre es in Anbetracht der Interessen Irans durchaus denkbar, dass Teheran zumindest die eigene Erfahrung bei der Niederschlagung der Opposition im eigenen Land an die Syrer weitergibt und sie wenn nicht mit Waffen, so doch wenigstens mit Abhörgeräten und Geräten zur Filterung von Internetverbindungen versorgt.
Groß ist der Einfluss der Islamischen Republik auch im Irak. In Bagdad fällt praktisch keine Entscheidung von größerer Tragweite, die nicht zuvor mit Teheran abgestimmt worden ist. Das könnte sich nach Abzug der Besatzungsmächte sogar noch verstärken. Über diese enge Verbindung zwischen Iran, Irak, Syrien, Hisbollah und Hamas, die als schiitische Achse bezeichnet wird, versucht der Iran, seine Rolle als regionale Großmacht auszubauen. Bei einem möglichen Regimewechsel in Syrien oder nach der nun erfolgten Einigung zwischen Hamas und Fatah in Palästina droht dieses Machtgerüst aber zu zerfallen.
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