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Debatte Abrüstung in den USAIns Herz gezielt

Kommentar von Harald Müller

Die geplanten Kürzungen im US-Militärhaushalt sind de facto moderat. Aber sie brechen mit der Doktrin der absoluten Überlegenheit.

G eht es jetzt dem aufgeblähten amerikanischen Verteidigungshaushalt an den Kragen? Ein bisschen. Das Haushaltsdefizit untergräbt die Weltmachtposition und die innere Stabilität der USA. Präsident Obama reagiert auf dieses Problem mit Streichungsplänen, die auch das zuvor sakrosankte Pentagon betreffen. Ob er damit durchkommt, ist ungewiss.

Die republikanische Rechte, die die Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus und die starke Minderheit im Senat dominiert, streitet entweder für eine egozentrische Maximierung individuellen Reichtums, einen evangelikalen Fanatismus und/oder für einen kruden militaristischen Nationalismus. Einig sind sie sich nur in einem Punkt: Sie wollen unbedingt die erste afroamerikanische Präsidentschaft zum Scheitern bringen. Die demonstrative Missachtung des Präsidenten, die so nicht einmal dem verhassten Bill Clinton zuteil wurde, deckt den rassistischen Kern dieser Fundamentalopposition auf.

Das ist die Gemengelage, in die nun der Vorschlag Obamas stößt, für den Haushaltsausgleich den Verteidigungshaushalt ein wenig zu schrumpfen. Der Präsident bricht damit ein Tabu. Doch welche Alternative hätte er?

Bild: Archiv
HARALD MÜLLER

ist habilitierter Politologe und Leiter des Leibniz-Instituts der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Er lehrt zudem Internationale Beziehungen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Humanisierung aus Geldnot

Mit rund 700 Milliarden Dollar handelt es sich um das größte Paket im US-Haushalt. Angesichts des Verfalls der Infrastruktur - Verkehr, Energie, Elementarbildung, höhere Bildung jenseits der Eliteeinrichtungen - ist dieser Betrag eine Obszönität (von Dingen wie Klimaschutz nicht zu reden).

Die Höhe des Militäretats ergibt sich aus der seit den 90er Jahren geltenden Doktrin absoluter Überlegenheit über jede denkbare Gegenkoalition, der Beherrschung aller militärischen Spektren Wasser, Land, Luft, Weltraum und Cyberspace. Da die amerikanische Wirtschaft langsamer wächst als die chinesische, erweist sich diese Doktrin zusehends als Bedrohung für die USA. Es droht ein Rüstungswettlauf, der die zivile Wirtschaft erdrücken könnte. Obama folgt insoweit nicht nur seiner persönlichen Neigung für Abrüstung, sondern vertritt vor allem nationale Interessen der USA. Naturgemäß stößt diese Politik in der Verteidigungsbürokratie nicht auf Sympathie, und auch die Republikaner laufen Sturm, denn die militärische Überlegenheit, gestützt auf Raketenabwehr, zählt zu den Kernpunkten ihres Glaubensbekenntnisses.

Obama muss nun aufpassen, nicht als pazifistisches Weichei denunziert zu werden. Eine solche Hypothek wäre fatal für den Wahlkampf, der 2012 beginnt. Daher wird er Wünschen des Militärs, die Einschnitte schonend zu gestalten, eher nachgeben, als mit einschneidenden Kürzungen auch Fähigkeiten abzubauen, über die die USA zwar verfügen wollen, die sie aber zur nationalen Sicherheit nicht benötigen.

Etwas kürzen, nichts streichen

Dazu zählen etwa umfassende Raketenabwehrfähigkeiten, weltraumgestützte Offensivoptionen, Schlachtfeldrobotik und einiges mehr. Hier wird ein bisschen gekürzt, aber kein Programm wird in Gänze gestrichen. All diese Waffensysteme erscheinen nicht nur für die Verteidigung (einschließlich Allianzverpflichtungen) entbehrlich, sondern führen aufgrund der offensiven Möglichkeiten, welche sich die USA damit verschaffen, bei potenziellen Gegnern, etwa Russland und China, zu Gegenmaßnahmen. Diese Aufrüstung dient dann als Begründung für neue US-Programme; die teure Rüstungsspirale würde sich weiterdrehen. Vorerst sieht es so aus, als würden die meisten Zukunftsprogramme mit niedrigeren Ausgabenplafonds, weitergeführt - niemandem wird allzu wehgetan.

Dennoch melden sich natürlich die Lobbyisten und ihre parlamentarischen Freunde zu Wort und greifen Obama scharf an. Ohnehin versuchen die Staaten und Wahlkreise gemeinsam mit ihren Schlüsselunternehmen immer ihre Interessen gegen die Belange des Gemeinwohls durchzusetzen.

Vergleicht man den Rüstungsetat der USA mit dem chinesischen, so gehen seriöse Schätzungen der militärischen Ausgaben Chinas nicht über 150 Milliarden US-Dollar hinaus. Auch wenn die USA aus Irak und Afghanistan abziehen, blieben wohl noch Ausgaben von rund 500 Milliarden US-Dollar übrig - für den Verteidigungsroutinebetrieb. Sicher tragen die USA Bündnisverpflichtungen, die ihnen einen relativ hohen Aufwand für die Verteidigung aufnötigen. Aber mehr als das Doppelte des nächsten Rivalen erscheint dann doch als irrationaler Aufwand. Es besteht also noch Spielraum nach unten.

Provokation für Republikaner

Und so ist der von Obama eingeleitete Schritt trotz seiner begrenzten Reichweite von erheblicher politischer Bedeutung. Er beendet eine Periode, in der die Militärausgaben ständig erhöht wurden und die Erhöhung selbst unter Präsident Clinton zur absoluten Notwendigkeit stilisiert und jeder Debatte entzogen wurde. Das ist nun vorbei, und Kürzungen des Militärhaushalts sind kein Tabu mehr. Allerdings muss die Minderung des Verteidigungsetats noch über Jahre hinweg fortgesetzt werden, soll der Haushalt saniert werden. Dies wird Washington zu sicherheitspolitischen Alternativen zwingen.

Obama hat schon in seiner Sicherheitsdoktrin von 2010 die Kooperation mit den weltpolitischen Partnern Russland, China und Indien zum Teil der amerikanischen Sicherheitspolitik erklärt. Konsequent verfolgt und in rüstungskontrollpolitische Vereinbarungen umgesetzt, die auch Indien und China einschließen, bietet sich eine Alternative, um den Rüstungshaushalt zu entlasten.

Damit wirft der Präsident den rechten Republikanern den Fehdehandschuh hin: Die stehen fest auf dem Boden der Überlegenheitsdoktrin und halten Rüstungskontrolle für eine Art Landesverrat. Nichts weniger als ein innen- und außenpolitisches Ringen um die Seele Amerikas steht also bevor: gemeinwohlorientiert, sozial, mit einem vernünftigen Maß wirtschaftlicher Regelung nach innen und kooperativ, nicht bedrohlich, nicht militaristisch nach außen oder eine Neuauflage der Bush-Politik mit noch fatalerer Radikalität. Wir werden am Trend des Verteidigungshaushalts ablesen können, wohin die Reise geht.

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4 Kommentare

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  • W
    Webmarxist

    Die Kürzungen beim Verteidigungshaushalt der USA dürfen kein Tabu, mehr bei den Haushaltsverhandlungen sein. Denn dieses Geld dass dort gespart wird, muss für die Bildung verwendet werden .Denn die darf es nicht nur für Reiche geben die es sich leisten können, an ausgewählte Eliteuniversitäten zu gehen. Sie muss auch der armen Bevölkerung zugute kommen.

  • W
    womue

    Solange man die Doktrin nicht aufgeben kann, die USA müsse sozusagen der natürliche Weltpolizist und Mann für alle Fälle auf diesem Globus sein, so lange wird es mit der Senkung der Militärausgaben auch nichts werden. Das wird eine Weile dauern, bis das bei allen angekommen ist. Das wird erst richtig ein Problem, wenn die wissenschaftlich-technologische Überlegenheit der USA verloren gehen sollte. Ich nehme mal an, alleine die überflüssigerweise mediengerecht gemachte Liquidierung Bin-Ladens hat eine Summe am Schaden hinterlassen, die man gar nicht veröffentlichen kann. Solches Versagen summiert sich Fall für Fall auf in die Zukunft. Wenn Leute in den Stäben sitzen, die eine bornierte Weltsicht haben, ist das mit dem Schreckwort Budgetkürzung nicht zu reparieren. Daran kommt kein zukünftiger Präsident der USA vorbei.

  • K
    Kai

    Dem Autor ist zu widersprechen. Die USA haben militärisch als unübertroffene Macht eine derartige Überlegenheit, dass diese auch weiter unerreicht existiert, wenn der Kriegsnobelpreisträger ein bißchen kürzt. Das ist, als ob jemand eine Milliarde DM daheim hat und 1 Pfennig geht verloren. Das nimmt der Milliarde der stabilen alten DM nix.Das weiß sicher auch der Autor.

  • A
    Araya

    Sehr geehrter Autor, nach dem ich aufmerksamen ihren Artikel gelesen habe bin ich zu den Schluss gekommen das er nichts Weiteres ist als eine Ansammlung von Halbwahrheiten und Klischees ist und dies alles mit einer großen Portion Fachmännischer Inkompetenz ihrerseits vermischt und dies sowohl in Militärischen wie auch im Haushaltspolitischen Fragen.

     

    Um nur einige exemplarische Punkte ihres Artikels zu wiederlegen.

     

    Z.b Ökonomisch

    So etwa behaupten sie das der Militärhaushalt der USA überdimensioniert und untragbar währe bzw. der Hauptgrund für die US Verschuldung. Die Wahrheit ist aber und die verleugnet selbst Obama nicht das mehr als 2/3 des US Haushaltes aus Ansprüchen besteht also Sozial Security, Medicare, Medicaid und Tricare oder anders ausgedrückt geben die USA für die Anspruch Programme gut 4 mall mehr aus als für das Militär und 5 mahl mehr als die kombinierten Ausgaben für Straßen, Bildung, Energie, Umweltschutz, Forschung, Polizei usw. aus. Daher selbst wenn man das Militär komplett streicht, so würde t die US Neuverschuldung immer noch knapp 800 Milliarden Dollar betragen!

     

    Z.b Militärisch

    So ist es zwar war das Chinas Militärs Haushalt tatsächlich wohl “nur“ 150-200 Milliarden Dollar hoch ist (dieser steigt aber Jährlich um ca. 5-10% weiter an) doch beträgt seine reale Größe sofern man die Kaufkraft wie die Höhe der Löhne in China einkalkuliert ein Vielfaches dessen was auf den Papier steht. Ergo real hat China ein Militärhaushalt das der realen Kaufkraft von ca. 400 Milliarden US Dollar entspricht Tendenz massiv ansteigend. Um nur einige Fahl Beispiele zu machen, eine Chinesische J10B kostet weniger als 20 Millionen Dollar, eine vergleichbare US Maschine (F16Block52) kostet ca. 60-80 Millionen Dollar. Oder ein anderes Beispiel, ein US Soldat niederen Rangs kostet alleine von Gehalt her den US Staat ca. 45.000 Dollar in Jahr ein Chinesischer Soldat gleicher Qualifikation dagegen nur ca. 2500 Dollar. Fazit der US Soldat kostet gut 18 mall so viel wie ein gleich qualifizierter Chinesischer Soldat.

     

    Z.b Politisch

    Selbst hier bestehen sie durch eine völlige Unkenntnis der Politischen Tatsachen. So etwa ist Obama zwar kein Freund des Militärs doch sprach er sich gegen Kürzungen aus, die höher als die bereits mit dem Republikaner vereinbarten 350 Milliarden über 10 Jahre währen. Die größte Bedrohung für das US Militär geht nämlich von den Platzen eines weiteren Diels zur Schuldenreduktion aus, der dann automatische Ausgaben Kürzungen in Höhe von weiteren 500-600 Milliarden Dollar für das US Militär bedeuten würden. Diese befürwortet Obama ausdrücklich nicht, auch wird der Kongress wohl diese nie zulassen selbst wenn sie ausgelöst werden sollten. Daher bitte verschonen sie in Zukunft die Leser mit derartig stümperhaften Artikeln bzw. mit Falschinformationen dieses Ausmaßes.

     

    Mein Typ, erst informieren, dann denken und erst dann schreiben!