piwik no script img

■ DaumenkinoGetaway

Der amerikanische Schriftsteller Jim Thompson (1906 bis 1977) sagte einmal, er hätte erst nach der Lektüre von Karl Marx angefangen, die Welt zu verstehen. Fortan zeichnete er in all seinen Büchern ein düsteres Bild der kapitalistischen Gesellschaft der USA. Dabei war er überzeugt, daß „es in der gesamten Literatur nur ein einziges Thema gibt, und das ist das Thema des Don Quichotte – das Farcenspiel von Schein und Wirklichkeit in einer morbiden Welt, in der die Dinge nun einmal nicht so sind, wie sie zu sein scheinen“. Ein Bruder im Geiste Thompsons war Regisseur Sam Peckinpah. Er verfilmte 1972 den Thompson-Roman The Getaway. Dabei mußte er allerdings einige Konzessionen machen. Den düsteren, hoffnungslosen Schluß durfte er nicht drehen, Steve McQueen und Ali MacGraw bekamen statt dessen das obligatorische Hollywood-Happy-End. Die Geschichte des Gaunerpärchens, das nach einem erfolgreichen Bankraub quer durch die Staaten flieht, verfolgt von Polizei und einer Horde schießwütiger Kollegen, ist längst ein Klassiker. Leider ist jedoch das, was da bei uns im Fernsehen zu sehen war oder auf Kassette in den Videotheken steht, eine arg verstümmelt Fassung. So wäre es eine gute Idee gewesen, endlich wieder ein restauriertes Orginal in die Kinos zu bringen. Aber nein, es mußte ein Remake sein. Roger Donaldson der kürzlich erst mit White Sands einen Krimi in den Sand gesetzt hat, bekam den Regiejob.

Walter Hill, der schon das Drehbuch des Orginals schrieb und auf diesen Erfolg seine spätere Karriere als Regisseur aufbauen konnte, sollte wiederum das Buch schreiben – und tat es nicht. Er nahm einfach sein altes Skript und „paßte es der heutigen Zeit an“. Das heißt schlicht und ergreifend mehr F/X-bestimmte Action und mehr Sex. Das Ehepaar McCoy spielen Kim Basinger und ihr Gatte Alec Baldwin. Von dem herrlichen Underplay McQueens und MacGraws, das dem Orginal zu dieser zynischen Grundstimmung verhalf, ist nichts übriggeblieben. Dafür zeigt uns Donaldson ausgiebig den Matratzensport des Ehepaars Basinger. Kims erigierte Brustwarzen, schön im Gegenlicht aufgenommen, sind dann auch das einzige, was überzeugend rüberkommt. Daß Frau Basinger eine Gangsterbraut sein soll, bleibt nichts weiter als eine freche Behauptung. kweg

Roger Donaldson: „Getaway“. Mit Kim Basinger, Alec Baldwin u.a.; USA 1993, 115 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen