■ Daumenkino: Killing Zoe
„Who's Zed?“„Zed's dead, Baby, Zed's dead.“ Inzwischen haben die meisten Leute, die noch bei Verstand sind, sich den Soundtrack zu Pulp Fiction besorgt und wundern sich deshalb nicht, wenn die Hauptfigur in einem von Quentin Tarantino produzierten Film „Zed“ heißt. Zeds erstes Problem ist hier, in Killing Zoe, daß er von Eric Stoltz gegeben wird, den man zur Zeit überall antrifft, wo es gilt, ein Generation-X-beliebiges Face in anderer Leute Achselhöhle zu stecken. Das zweite Problem ist, daß er den Amerikaner in Paris geben soll, der als erstes in seinem Hotelzimmer von Julie Delpy bestiegen wird, und zwar zunächst professionell, trés frangsösisch, aber später wird Liebe draus. Es währt allerdings nicht lang, wie sollte es auch, denn nun kommt Jean-Hugues Anglade, und mit ihm tritt der Film in ein gänzlich anderes Orbit.
Anglade ist der Kokainist unter den französischen Schauspielern. Wo andere einen Charakter haben, hat er einen Rausch; in seinen Augen kann man sich vielleicht schminken, so flach und blau sind sie, aber nichts entdecken. Er ist nicht unbedingt ein Mann, aber ohne Eigenschaften ist er garantiert. Er hatte schon als halbdebiler König Charles in Patrice Chéreaus Gemetzel-Epos Die Bartholomäusnacht was von einem kindlichen Narzisten, der nicht so recht weiß, in was er sich da verliebt hat, weil er ja eben so gar nichts ist, und der deshalb stets ein bißchen schmollt. Aus seiner süßlichen, opiumschweren Depression kann er unversehens ins Meucheln und Metzeln geraten; eigentlich gehört er in jeden „True Romance“-Film als die Kraft, die stets und nur das Böse will, die aus einem Liebespaar wieder zwei böse Babies macht, und von da ab zurück in die giftige Ursuppe, aus der wir uns vor ein paar tausend Jahren hierher aufgemacht hatten.
Mit diesem Kerl also will Zed eine Pariser Bank knacken, eigentlich eine hübsche Idee, aber zur Initiation muß er eine Nacht mit Eric/Anglade und den anderen Höllenhunden verbringen, und diese Nacht ist einfach ein Coup, alle Reservoir-dogs sind los. Filme über die Einnahme von Rauschmitteln gehen oft und gern in die Hose, weil die Leute plötzlich glauben, bunte Hüte fliegen lassen oder eine Froschlinse benutzen zu müssen. Hier wird jede einzelne der vielen Drogenaus dem Spiel der Akteure sichtbar; an Anglade kann man genau sehen, ob das gerade Crack, Marokkaner, Heroin oder Rotwein war, was er sich zugeführt hat; wirklich unglaublich.
Der Banküberfall, der auf diese Nacht folgt, muß natürlich ein Horrortrip werden, gegen den Al Pacino in Dog Day Afternoon ein Kaffeekränzchen abgehalten hat. Unnötig zu erwähnen, daß Zoe (Julie Delpy) in Wirklichkeit keine Hure ist, sondern Milch und Honig und – Bankangestellte. mn
Regie: Roger Avary. USA 1994
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