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■ Das wirtschaftspolitische Programm Bill ClintonsDrahtseilakt

„An die Arbeit, Bill!“ – das ist die Aufforderung, mit der die Kommentatoren gestern Bill Clinton in sein neues Amt komplimentierten. Nach zwölf Jahren „Reaganomics“ haben sich die Amerikaner gestern für die Veränderung entschieden. Am Ende des Kalten Krieges ist für jedermann das wirtschaftspolitische Desaster der Präsidentschaft George Bushs sichtbar geworden. Denn der politische Diskurs dieses Jahres wurde in den USA nicht von „Star Wars“ oder Träumen von der Neuen Weltordnung, sondern vom Niedergang der US-amerikanischen Wirtschaft und wachsender Armut bestimmt. Daß nur der überzeugendste Weg aus der schweren Wirtschaftskrise ins Weiße Haus führt, haben Amtsinhaber Bush und sein Herausforderer Clinton frühzeitig erkannt. Doch während Bush an den alten Rezepten der Reaganschen supply-side-economics klebte, konnte Clinton auf neue Heilkräfte verweisen. Am Wahlabend hat es dann denjenigen getroffen, der den verlorengegangenen Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten wie kein anderer verkörpert: George Bush.

So sehr sich Verlierer Bush auch mühte, den Herausforderer Clinton als unsicheren Kantonisten hinzustellen – die ökonomischen Fakten sprachen gegen ihn. In Bushs Amtszeit schrumpfte das Wirtschaftswachstum auf nahezu null zusammen, kletterten die Arbeitslosenzahlen auf 9,3 Millionen und blähte sich das Haushaltsdefitit auf 290 Milliarden Dollar auf. Das Versprechen, die Staatsausgaben zu beschneiden, konnte er ebensowenig einlösen wie seine Ankündigung, in seiner vierjährigen Amtszeit für 30 Millionen neue Jobs zu sorgen. Bushs Plan aus dem Lehrbuch der Angebotsökonomie ging wie der seines Amtsvorgängers Reagan nicht auf: der Staat sollte auf Steuereinnahmen der Reichen verzichten, diese würden dafür in Fabriken und Maschinen investieren und so zu Wachstum und Allgemeinwohl beitragen. Doch Amerikas finanzielle Elite frönte lieber dem Konsum und der Spekulation – der erhoffte Aufschwung blieb aus.

Es kommt nicht von ungefähr, daß sowohl namhafte Ökonomen wie auch ein Großteil der US-Wirtschaft Bill Clinton unterstützt oder auf seinen Wahlsieg gehofft haben. Den Part des Steuermanns hat Clinton bereits im Wahlkampf professionell gespielt. Qualifizierte Fachkräfte und eine gute Infrastruktur sind nach seinem Konzept die einzigen Garanten, Kapital anzulocken und den Lebenstandard zu halten. Ob er mit seinem keynseanischen Wirtschaftsprogramm, das auf einen omnipräsenten Staat und öffentliche Infrastrukturinvestitionen baut, aber den Kurswechsel schafft, muß sich erst beweisen. Viele Ökonomen, die Clintons Vorschlägen in der Theorie wohlwollend gegenüberstehen, haben in der Praxis bereits zahlreiche Fallgruben ausgemacht. Sie hegen wenig Vertrauen in die Bürokratie des Staates, das angekündigte 20-Milliarden-Dollar-Programm effizient zu verwirklichen. Darüber hinaus kosten Bildungseinrichtungen, Sozialversicherung, Krankenversorgung und die Modernisierung des Verkehrs- und Telekommunikationswesens viel Geld, das nicht allein durch Kürzungen im Rüstungsbereich einzutreiben ist.

Als Bumerang für den neuen Präsidenten könnte sich deshalb schon bald die horrende Staatsverschuldung erweisen: denn Clinton vertraut wie Bush auf Wirtschaftswachstum, um das Defizit einzudämmen. Bleibt dieses jedoch aus, droht dem neuen Präsidenten bei seinem ökonomischen Hochseilakt der Absturz. Wie auch immer – Amerika hat seine Hoffnung und damit Bill Clinton gewählt. Erwin Single

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